Gesundheits-Apps kommen bald auf Rezept Von Sascha Meyer, dpa

Beim Arztbesuch läuft oft noch viel auf Papier. Die große Koalition
will deswegen Tempo machen, um endlich einen Durchbruch für die
Digitalisierung zu schaffen. Geht das für manche auch zu schnell?

Berlin (dpa) - Gesundheits-Apps auf Rezept, leichterer Zugang zu
Online-Sprechstunden, weniger Papier in den Praxen: Neue digitale
Angebote sollen für Patienten vom nächsten Jahr an breiter zu nutzen
sein. Der Bundestag beschloss dazu am Donnerstag mit den Stimmen der
großen Koalition ein Gesetz von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU).
Es regelt zudem, dass neben Praxen auch Apotheken und Kliniken an die
geplante Datenautobahn des Gesundheitswesens andocken müssen. In der
zuletzt umstrittenen Frage einer schnelleren Nutzung von Daten für
die Forschung fügte das Parlament zusätzliche Sicherheitsregeln ein.

Spahn sagte, digitale Lösungen könnten den Patientenalltag konkret
verbessern. «Wir gehen Schritt für Schritt in die digitale Zukunft.»

Jeder, der mitmachen wolle, solle mitmachen können. «Wer es aber
lieber analog hat, bekommt es auch.» Nach jahrelangem Gezerre um
zusätzliche Funktionen für die elektronische Gesundheitskarte will
der Minister mit seinem Digitalisierungsgesetz weiter Tempo machen.
In Kraft treten soll es im Januar 2020, zustimmungspflichtig im
Bundesrat ist es nicht. Vorgesehen sind mehrere digitale Bausteine:

GESUNDHEITS-APPS: Bestimmte Apps fürs Handy sollen Patienten von der
Kasse bezahlt bekommen, wenn ihr Arzt sie verschreibt. Spahn sprach
von einer «Weltpremiere», die das «Wildwest» der Angebote beende. E
s
geht etwa um Anwendungen, die beim regelmäßigen Einnehmen von
Medikamenten helfen oder digitale Tagebücher für Diabetiker. Dafür
soll eine rasche Zulassung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und
Medizinprodukte kommen. Ein Jahr tragen die Kassen die Kosten, in
dieser Frist müssen die App-Anbieter dann auch den Nachweis einer
besseren Versorgung liefern. Ärztepräsident Klaus Reinhardt sagte,
die große Menge mache das Unterscheiden nicht ganz einfach. Es gebe
sinnvolle und hilfreiche Angebote, aber auch viel «Schnickschnack».

TELEMEDIZIN: Im vergangenen Jahr hatten die Ärzte das Berufsrecht
weiter für Fernbehandlungen über digitale Technik geöffnet. Künftig

sollen Patienten auch leichter Praxen ausfindig machen können, die
Onlinesprechstunden anbieten. Darüber sollen Mediziner auf ihrer
Internetseite informieren können. Einwilligungen und eine Aufklärung
der Patienten sollen auch im Rahmen von Videosprechstunden möglich
werden und nicht mehr nur persönlich vor Ort oder schriftlich.

DATENAUTOBAHN: Ein neuralgischer Punkt ist der bisher eher stockende
Aufbau einer Datenautobahn, die einmal alle Gesundheitsakteure mit
hohen Sicherheitsvorkehrungen vernetzen soll. Neben den Arztpraxen
werden nun auch die Apotheken verpflichtet, sich bis Ende September
2020 anzuschließen und Krankenhäuser bis Januar 2021. Hebammen und
Physiotherapeuten können es freiwillig tun. Weiter erhöht wird der
Druck auf hartnäckige «Offliner», die Praxen nicht anschließen. Ihn
en
drohen ab 1. März 2020 höhere Honorarkürzungen von 2,5 Prozent.

WENIGER PAPIER: In vielen Praxen rattern noch alte Drucker und
Faxgeräte. Spahn will den Abschied von der Zettelwirtschaft mit
sanftem Druck beschleunigen. Damit Ärzte mehr E-Befunde verschicken,
soll der Faxversand nicht mehr höher vergütet werden. Erleichtert
werden soll auch der elektronische Fach-Austausch unter Arztkollegen.

DATEN FÜR DIE FORSCHUNG: Bei den Krankenkassen vorliegende Daten
sollen schneller und auch umfangreicher für die Forschung nutzbar
werden - für Erkenntnisse etwa zu chronischen Krankheiten. Das
generelle Verfahren gebe es seit 15 Jahren, sagte Spahn. Konkret
sollen die Kassen Daten jedes Versicherten unter anderem zu Alter,
Geschlecht, Wohnort und Behandlungsleistungen an den Spitzenverband
der gesetzlichen Krankenversicherungen übermitteln - und zwar schon
in pseudonymisierter Form, wie das Parlament in einer Änderung
festlegte. Zunächst war diese Sicherheitsvorkehrung erst bei der
Weiterleitung an ein «Forschungsdatenzentrum» vorgesehen.

Wie schnell neue Digital-Angebote bei den Patienten ankommen, muss
sich zeigen. Ärztepräsident Reinhardt verwies darauf, dass nicht alle
Menschen die gleiche Vertrautheit mit neuen Technologien hätten, auch
wegen ihres Alters. «Wenn wir zu stark und zu schnell auf digitale
Unterstützung abstellen, darf man die Menschen nicht vergessen, die
damit vielleicht nicht umgehen können», sagte er der Deutschen
Presse-Agentur. Der IT-Branchenverband Bitkom hob «enorme Chancen»
hervor, Patienten eine leistungsfähigere Versorgung und letztlich
mehr Lebensqualität zu bieten. Für ein zentrales Projekt laufen schon
Vorbereitungen - den Start elektronischer Patientenakten bis 2021.