«Gerda» soll Patienten helfen und kleine Apotheken stärken

Mit Grippe im Bett - und dann zum Arzt und in die Apotheke? Mit dem
elektronischen Arztrezept soll dieses Mühsal der Vergangenheit
angehören. In Baden-Württemberg gibt es erstmals ein Pilotprojekt -
das auch ein Kampf vieler Davids gegen einige Goliaths ist.

Stuttgart (dpa/lsw) - Als erstes Bundesland führt Baden-Württemberg
elektronische Arztrezepte ein, die auf dem Smartphone empfangen und
an Apotheken gesendet werden können. Am Donnerstag wurde das
Pilotprojekt «Gerda» (Geschützter E-Rezept-Dienst der Apotheken) in
Stuttgart vorgestellt. Zunächst nehmen Apotheken in Stuttgart und
Tuttlingen teil, im kommenden Jahr soll «Gerda» auf das ganze
Bundesland ausgeweitet werden. Die «E-Rezepte» richten sich an
Kassenpatienten, die sich telemedizinisch - also per Telefon oder
Videochat - behandeln lassen.

Die Stuttgarter Apotheke von Peter Treu ist für das neue System schon
bereit. Als eine von zunächst zehn Apotheken ist seine «Apotheke
Münster» Teil des Pilotprojekts. Am Mittwoch habe er mit zwei
Testpatienten einen Probelauf gemacht, erzählt er. Jetzt kann der
erste echte Patient kommen. «Mehr Aufwand ist es für uns absolut
nicht», sagt Treu. Mit «Gerda» ändere sich wenig für die Apotheke
n.
Nur ein paar Softwareanpassungen habe es noch gebraucht.

Das E-Rezept ist an das Telemedizinangebot «docdirect» der
Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg gebunden, das im
vergangenen Jahr gestartet wurde. 40 Ärzte nehmen derzeit daran teil.
Verschrieb einer von ihnen ein Medikament, mussten die Patienten
bisher für das Rezept persönlich in eine Arztpraxis kommen. Nun geht
das Rezept auf einen Server, der Patient kann es in seiner
«docdirect»-App ansehen und an eine Apotheke seiner Wahl senden. Per
Chat kann der Patient Kontakt aufnehmen und erfahren, wann die
Medikamente da sind oder sie mittels Botendienst zuschicken lassen.

«Gerda» wurde von Landesapothekerkammer und -verband angestoßen und
vom Land mit einer Million Euro gefördert. «Wir haben das getan, weil
wir nicht wollen, dass die Ausstellung von E-Rezepten kommerziellen
Interessen dient», sagt Tatjana Zambo vom Landesapothekerverband. Das
Bundesgesundheitsministerium hatte mit einer Gesetzesänderung im
August den Weg frei für das elektronische Rezept gemacht.

«Es ist ein wirklich ruinöser Wettbewerb, der da läuft», sagt Treu.

Die mit dicken Werbebudgets ausgestatteten internationalen
Versandapotheken würden den Kleinen vor Ort schwer zu schaffen
machen. Laut Landesapothekerverband stellt «Gerda» sicher, dass
Patienten ihr Rezept ohne Beeinflussung von Werbung, Steuerung und
Manipulation bekämen. Profitieren sollen die kleinen Apotheken vor
Ort. Ist das System einmal aus der Testphase heraus, können Patienten
zwar auch die große Versandapotheken wählen. Treu sagt, seine
Apotheke könne aber schnell reagieren, habe einen Botendienst und
könne Patienten vor Ort und am Telefon beraten.

Wie bei der Videosprechstunde ist Baden-Württemberg auch bei den
E-Rezepten Vorreiter in Deutschland. Und «Gerda» könne möglicherwei
se
Basis für ein bundesweites E-Rezept-System zu werden, sagt der
Präsident der Landesapothekerkammer, Günther Hanke. Das
Bundesgesundheitsministerium habe das Telemedizin-Unternehmen Gematik
beauftragt, bis Mitte 2020 eine Spezifikation zum E-Rezept
vorzustellen. Und Gematik schaue «mit besonderem Vergnügen» auf
«Gerda». Geld würde das dem Land nicht einbringen, sagt
Sozialminister Manfred Lucha (Grüne). «Aber wo Sie Pionier waren,
haben Sie auch einen Marktvorteil.»