«Die Körpermaschine muss funktionieren» Interview: Cordula Dieckmann, dpa

Muskeltraining bringt mehr Anerkennung als Faulsein auf dem Sofa.
Solche Muster der Resonanz können das Selbstbild von Männern prägen.


München (dpa) - Es gab Zeiten, da galt der dicke Bauch eines
Firmenchefs als Statussymbol. Heute bestimmen ganz andere Figuren das
Rollenbild der Männerwelt, wie der Frankfurter Professor Robert
Gugutzer im dpa-Interview erläutert. Beim Thema Selbstoptimierung und
Selbstwert spiele der Körper eine zentrale Rolle.

Frage: Seit wann gibt es das Phänomen, dass Männer zum Teil exzessiv
ihren Körper in Form bringen?

Antwort: Historisch gesehen herrschte lange Zeit das Bild vor, dass
es bei Männern nicht so wichtig sei, was mit ihrem Körper los ist.
Sozialer Status, Anerkennung, Macht, Geld und Einfluss hatten nicht
viel mit dem körperlichen Erscheinungsbild zu tun, sondern primär mit
dem Geist, dem Verstand und Beziehungen. Es gibt diese Bilder aus dem
Industriezeitalter, wo die Firmenchefs dick und beleibt waren. Das
war ein Statussymbol, der dicke Bauch. Die heutigen Manager sind
schlank und fit. Da hat sich was verändert.

Frage: Welches Idealbild haben wir von einem männlichen Körper?

Antwort: Stärke, Kraft, Mut, Zähigkeit - das sind Werte, die schon
lange mit Männern und ihren Körpern verbunden werden. Schon in der
griechischen Mythologie haben die antiken Helden wie Herkules einen
muskulösen Körper. Mein Eindruck ist, dass Extremmuskeln inzwischen
aber ziemlich out sind. Die Körper, die wir auf den Titelseiten von
Illustrierten sehen, das sind nicht mehr die Arnold Schwarzeneggers.
Die sind fit, durchtrainiert, auch muskulös, aber nicht
bodybuilder-muskulös.

Frage: Heute ist der Körper trotzdem ein großes Thema, im Internet,
in Filmen. Auch Männer inszenieren sich, etwa in sozialen Netzwerken,
und wollen sich selbst optimieren.

Antwort: Der gesellschaftliche Stellenwert des Körpers ist vermutlich
so hoch wie er noch nie war. Dabei ist einerseits das
Maschinen-Verständnis vom Körper bei Männern noch sehr verbreitet.
Die Körpermaschine muss funktionieren, sonst repariere ich sie.
Andererseits ist es mittlerweile legitim, dass man als Mann zum
Beispiel Bodylotions kauft. Es gibt inzwischen sogar mehrere Sorten
im Drogeriemarkt, nicht mehr nur eine! Früher wurde man
stigmatisiert, wenn man sich als Mann eingecremt hat. Diese
Ästhetisierung des Männerkörpers gleicht einer Identitätsarbeit.
Aber das ist auch ambivalent.

Frage: Inwiefern?

Antwort: Es gibt zunehmend Männer, die definieren ihren Selbstwert
über ihren Körper. Und das eben in Zeiten, in denen es schwieriger
geworden ist, die Frage zu beantworten, was es heißt, ein «echter»
Mann zu sein. Traditionelle Rollenbilder brechen weg, neue sind noch
nicht etabliert. In diesen Phasen der Verunsicherung greifen einige
Männer auf etablierte Identitätsanker zurück wie einen schönen - un
d
das heißt immer noch muskulösen - Körper. Der ist ein Symbol für
Männlichkeit, kultur- und zeitübergreifend.

Frage: Wie wirkt sich das aus?

Antwort: Es ist auch für Männer legitim, sich mit dem eigenen Körper

in ästhetischer Hinsicht auseinanderzusetzen. Aber es ist zugleich
ein Imperativ. Auch Männer müssen heute auf ihren Körper achten. Wer

sich gehen lässt, wird schnell stigmatisiert. Man kann nicht sagen,
ich liege abends lieber auf der Couch und esse Chips. Wenn ich sage,
ich gehe fünf Mal die Woche ins Fitnessstudio, und man sieht mir das
an, ernte ich dagegen Anerkennung und Respekt.

ZUR PERSON: Robert Gugutzer, geboren 1967, ist Professor an der
Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Er leitet die Abteilung
Sozialwissenschaften des Sports. Zu seinen Schwerpunkten zählen die
Soziologie des Körpers und des Sports. Weitere Themen: Körperkult,
Sportsucht, Trendsportarten und Essstörungen im Leistungssport.