Bundestag entscheidet über Gesundheits-Apps auf Rezept

Die Koalition will Tempo machen, damit das Gesundheitswesen digitaler
wird. Der Bundestag soll dazu ein Gesetz für konkrete Anwendungen für
Patienten beschließen. Die Ärzte sehen aber auch sensible Punkte.

Berlin (dpa) - Ärztepräsident Klaus Reinhardt hat ein behutsames
Vorgehen bei neuen digitalen Angeboten für Patienten angemahnt. «Es
haben nicht alle Menschen in dieser Gesellschaft die gleiche
Vertrautheit mit neuen Technologien, zum Beispiel auch wegen ihres
Alters», sagte der Chef der Bundesärztekammer der Deutschen
Presse-Agentur. «Wenn wir zu stark und zu schnell auf digitale
Unterstützung abstellen, darf man die Menschen nicht vergessen, die
damit vielleicht nicht umgehen können.» Sonst könne es zu «einer Ar
t
Zwei-Klassen-Versorgung» kommen.

Der Bundestag will am Donnerstag (ca. 15.20 Uhr) ein Gesetz von
Minister Jens Spahn (CDU) beschließen, das neue digitale Angebote
ermöglichen soll. So sollen Patienten bestimmte Gesundheits-Apps
künftig von der Kasse bezahlt bekommen - wenn der Arzt sie ihnen
verschreibt. Dabei geht es etwa um Anwendungen, die beim regelmäßigen
Einnehmen von Medikamenten helfen. Patienten sollen unter anderem
auch leichter Praxen mit Videosprechstunden ausfindig machen können.

Reinhardt sagte, es werde angesichts der großen Menge an Angeboten
nicht ganz einfach zu unterscheiden sein, welche Apps wirklich der
Versorgung dienen. «Es gibt digitale Gesundheitsanwendungen, die sehr
sinnvoll und hilfreich sind. Es gibt aber auch viel Schnickschnack,
der keinen Mehrwert für Patienten und Ärzte bringt.» Damit Ärzte
digitale Anwendungen verschreiben könnten, sollte vorher
sichergestellt sein, dass sie keinen Schaden anrichten.

Der Ärztepräsident betonte: «Digitalisierung in der Medizin bedeutet

auch eine Vertrauensfrage. Vertraue ich einer technisch hergestellten
Lösung eines Problems?» Zwischen Menschen gebe es ja noch andere
Wahrnehmungsinstrumente wie Sympathie oder Einfühlungsvermögen, durch
die Vertrauen entstehe. «Auch Datenschutz und sichere
Datenverarbeitung haben mit Vertrauen zu tun.»

Mit Blick auf eine geplante stärkere Datennutzung für die Forschung
sagte Reinhardt: «Der medizinische Fortschritt sollte schon befördert
werden, dazu werden auch Gesundheitsdaten gebraucht.» Er finde es
aber problematisch, eine Datenübermittlung einfach per Gesetz
festzulegen. «Es wäre klüger, die Menschen freiwillig zu motivieren
und sie zu fragen, ob sie nicht ganz bewusst eine Datenspende
vornehmen wollen, um so eine bessere Forschung zu ermöglichen.»

Eine gesellschaftliche Meinungsbildung, wie der ethische Konflikt
zwischen Wissenschaftsfreiheit und dem Grundrecht auf informationelle
Selbstbestimmung neu auszutarieren sei, habe bis jetzt noch nicht
stattgefunden. Dies könne nicht durch ein Gesetzgebungsverfahren
ersetzt werden, sagte Reinhardt. Ärzte seien auch aufgefordert,
Patienten zu großer Sorgfalt beim Umgang mit ihren digitalen Daten zu
sensibilisieren. «Das Arztgeheimnis hat einen großen Stellenwert und
darf in überhaupt keiner Weise berührt werden. Insofern gibt es Daten
oder Erkenntnisse, die man dezidiert einer solchen Weiterverarbeitung
vorenthalten muss.»

Die Gewerkschaft Verdi warnte vor einem Zusammenführen der
Sozialdaten von Millionen Kassenpatienten. Der Vorsitzende Frank
Werneke sagte: «Die ungefragte Sammlung und Auswertung derartiger
Daten ist ein schwerwiegender Eingriff in die Persönlichkeitsrechte
der Versicherten.»