Bandscheiben-Skandal: Angeklagter Arzt weist Vorwürfe zurück

Aurich (dpa) - Im Skandal um defekte Bandscheibenprothesen in
Ostfriesland hat ein angeklagter Arzt vor Gericht Korruptionsvorwürfe
zurückgewiesen. Der Mediziner soll für den bevorzugten Einsatz von
Wirbelsäulenimplantaten eines bestimmten Herstellers unerlaubt Geld
kassiert haben. Die Klinikleitung habe jedoch von seinen
Nebentätigkeiten gewusst, ließ der 55-Jährige am Dienstag über sein
en
Anwalt am Landgericht Aurich mitteilen. Dort begann der Prozess gegen
den entlassenen Leiter der Wirbelsäulenchirurgie am Klinikum Leer.

In dem Verfahren geht es in insgesamt 74 Fällen um Vorteilsannahme
und Bestechlichkeit in besonders schwerem Fall. In diesem
Zusammenhang ist auch die ehemalige Geschäftsführerin einer
Vertriebsgesellschaft angeklagt. Ihr Verteidiger forderte kurz nach
Prozessbeginn die Einstellung des Verfahrens aus formalen Gründen.

Die Zentralstelle für Korruptionsstrafsachen bei der
Staatsanwaltschaft Osnabrück hatte in dem Verfahren zwei Anklagen
verbunden. Danach sollen der Facharzt für Neurochirurgie und ein
Unternehmen für Medizinprodukte ein Implantat für die
Wirbelsäulenchirurgie entwickelt haben. Der Arzt setzte Patienten die
Implantate bei Operationen am Klinikum Leer ein. Dafür wurde er
prozentual an Umsätzen beteiligt und kassierte mehr als 14 000 Euro.

Daneben soll der Mediziner von einer weiteren Vertriebsgesellschaft
eine fortlaufende Vergütung bekommen haben, damit er Implantate eines
bestimmten Herstellers bevorzugt. In der Anklageschrift ist von mehr
als 128 000 Euro in den Jahren 2011 bis 2016 die Rede.

Die beiden Angeklagten ließen die Vorwürfe über ihre Verteidiger
abstreiten. Der Arzt sei vom Erfolg seines Implantat-Produktes
überzeugt und habe Zahlungen dafür als Anteil an seiner Erfindung
verstanden, sagte sein Anwalt.

Die Unregelmäßigkeiten am Klinikum Leer waren nach dem Rückruf von
defekten Implantaten eines britischen Herstellers ans Licht gekommen.
Die Klinikleitung hatte darauf die dienstlichen Mails des Arztes
geprüft und war auf Provisionsrechnungen gestoßen. Darauf schaltete
die Klinik die Polizei ein.

Ein weiterer Prozess gegen den Arzt wegen Körperverletzung in 59
Fällen steht noch aus. Denn viele eingesetzte Implantate hatten sich
als schadhaft erwiesen und waren später im Körper der Patienten
verrutscht oder zerbröselt. An den Folgen litten zahlreiche
Patienten, sie mussten erneut operiert werden. Einige von ihnen
verfolgten daher mit Spannung den Prozessauftakt in Aurich. Das
Verfahren um Körperverletzung sollte eigentlich Ende 2018 am
Amtsgericht Leer beginnen, wurde aber nach einem Befangenheitsantrag
gegen den Richter verschoben. Dieser Prozess beginnt voraussichtlich
im kommenden Jahr.