Mordprozess um Leonie dauert länger - Urteil für Januar geplant Von Winfried Wagner, dpa

Am 12. Januar stirbt eine Sechsjährige in der Wohnung der Familie.
Dem Stiefvater wird Mord vorgeworfen. Dessen Geschwister und der
Vater halten ihn einer solchen Tat nicht fähig. Zwei Zeugen schildern
dagegen, wie sie seine Gewaltausbrüche erlebten.

Neubrandenburg (dpa/mv) - Der Prozess um den gewaltsamen Tod der
sechsjährigen Leonie aus Torgelow (Vorpommern-Greifswald) verlängert
sich um mindestens zwei Monate. Wie Richter Jochen Unterlöhner am
Montag am Landgericht Neubrandenburg sagte, soll die Mutter des
Mädchens noch mindestens zwei Mal als Zeugin gehört werden - ohne
Öffentlichkeit. Ein Urteil wäre dann frühestens Mitte Januar möglic
h,
erklärte Unterlöhner.

Ein Cousin und eine ehemalige Freundin des Angeklagten schilderten am
Montag als Zeugen, wie sie Gewaltausbrüche des 28-Jährigen erlebt
hatten. Einmal habe der Angeklagte Leonie geschlagen, als sie nur
eine Windel in den falschen Müllsack in der Küche geworfen habe,
berichtete der Cousin. Danach soll der Stiefvater Leonie noch
kopfüber in den Müllsack gehalten haben. Er habe gegen diese Handlung
protestiert, sagte der Zeuge. Daraufhin sei er selbst bedroht worden.

Die ehemalige Freundin erzählte, wie sie einmal aus Eifersucht
geschlagen und auf eine Herdplatte gedrückt wurde. Danach habe sie
den Mann, mit dem sie nach eigenen Angaben einen gemeinsamen Sohn
hat, angezeigt und sich von ihm getrennt. 

Das Landgericht kündigte an, dass frühestens Anfang Januar mit dem
Hauptgutachten der Gerichtsmedizinerin und dem Bericht des
Psychiaters zu rechnen sei, der die Schuldfähigkeit des angeklagten
Stiefvaters von Leonie beurteilen soll. Ursprünglich hatte der
Mordprozess Ende November zu Ende gehen sollen.

Leonie war am 12. Januar tot in der Wohnung der Mutter und des
Stiefvaters in Torgelow gefunden worden. Rechtsmediziner stellten bei
dem Kind eine Vielzahl von Verletzungen fest, die auf schwere
Misshandlungen hindeuteten. Dem Stiefvater wird deshalb Mord durch
Unterlassen und Misshandlung von Schutzbefohlenen vorgeworfen. Laut
Anklage hat der Mann das Mädchen so schwer misshandelt, dass es
infolge der Verletzungen starb. Er hatte bei der Polizei aber von
einem Treppensturz Leonies im Hausflur gesprochen.

Ungeklärt blieb bislang, warum die Rettungskräfte erst viereinhalb
Stunden nach dem angeblichen Sturz gerufen worden waren. Auch gegen
die Mutter wird ermittelt, weil sie nicht eher Hilfe holte.

Eine Schwester und der Vater des Angeklagten berichteten vor Gericht,
dass der 28-Jährige zwar ein aufbrausender und «lauter Typ» sei. Aber

sie könnten sich nicht vorstellen, dass er ein Kind schlägt.

Vor Gericht wurden auch Details der Flucht des 28-Jährigen im Januar
bekannt. Bei einer Vernehmung am 14. Januar war er aus dem
Polizeigebäude in Pasewalk entkommen. Geschwister und Vater hatten
ihn den Angaben zufolge danach mit dem Auto ein Stück in Richtung
Torgelow gefahren.

Der Angeklagte war in Torgelow bei einer Schwester untergekommen und
später in Groß Luckow nahe Pasewalk. «Er stand morgens vor meiner
Tür, ich habe noch die Kinder zur Kita gebracht und dann haben wir
miteinander geredet», sagte die 27-Jährige als Zeugin. Er habe
gekniet und gesagt, «dass er nichts gemacht hat.» Im Anschluss habe
man den Anwalt aus Wolgast informiert, der den 28-Jährigen jetzt auch
vor Gericht vertritt. Bis zum Abholen am 21. Januar durch den Anwalt
sei der Flüchtige geblieben. Kurz vor Anklam hatte die Polizei den
Gesuchten im Auto des Anwaltes gefasst.

Richter Jochen Unterlöhner verhängte eine Ordnungsstrafe gegen eine
der Schwestern des Angeklagten in Höhe von 300 Euro. Die Frau hatte
als Zeugin das Gericht und alle Beteiligten am 1. November als
«Dreckspack» beschimpft und mit lautem Knall die Tür zugeschlagen.

Der Prozess wird an diesem Donnerstag fortgesetzt, dann sollen zwei
Experten gehört werden, die speziell toxikologische und DNA-Spuren
analysiert haben.