Union nennt Bedingungen für Einigung über Grundrente

Seit Monaten verhandeln CDU, CSU und SPD über die milliardenschwere
Grundrente. Am Montag beraten die Koalitionsspitzen. Gelingt eine
Einigung?

Berlin (dpa) - Bei den Verhandlungen mit der SPD über eine Grundrente
pochen führende Unionspolitiker auf eine strenge
Bedürftigkeitsprüfung - und wollen im Gegenzug Entlastungen für
Firmen. Vor möglicherweise entscheidenden Beratungen der
Koalitionsspitzen am Montagabend nannte Bundesgesundheitsminister
Jens Spahn (CDU) Bedingungen, damit es zu einer Einigung kommen kann.
Er wies Berichte über einen ersten Kompromiss zurück. «Geeinigt ist
nichts.» Die kommissarische SPD-Vorsitzende Malu Dreyer zeigte sich
aber zuversichtlich, dass es bald eine Einigung geben könne.

Auch Dreyer nannte Bedingungen. Die rheinland-pfälzische
Ministerpräsidentin sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: «Die
Grundrente soll für mehr Gerechtigkeit sorgen und automatisch gezahlt
werden.» Niemand solle «zum Amt gehen und einen riesigen Stapel an
Formularen ausfüllen müssen». Der SPD gehe es nicht um eine
Sozialleistung, sondern um die Anerkennung von Lebensleistung. Wer 35
Jahre für einen geringen Lohn gearbeitet habe, müsse im Alter mehr
haben als die Grundsicherung.

Spahn schrieb am Samstag auf Twitter, es müsse bei der Grundrente
erstens eine «harte Einkommensprüfung» als Bedürftigkeitsprüfung

geben - so dass nur Rentner unterstützt werden, die trotz mehr als 35
Jahren Arbeit sehr wenig zum Leben hätten. Rentner mit Mieteinnahmen
gehörten nicht dazu. Zweitens müsse das Gesamtvolumen gegenüber
künftigen Generationen verantwortbar sein. «Jede Milliarden-Summe,
die die SPD bis heute genannt hat, ist es nicht», schrieb Spahn, der
Mitglied einer Arbeitsgruppe der Koalition ist. Drittens müssten
gleichzeitig konkrete Maßnahmen für mehr Wirtschaftswachstum
vereinbart werden, etwa eine Senkung der Unternehmenssteuern. Eine
wettbewerbsfähige Wirtschaft sei die Voraussetzung für jede Rente.
«Vor dem Verteilen kommt immer das Erwirtschaften.»

Auch Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder bekräftigte

in der «Welt am Sonntag» die Forderung, es müsse eine international
vergleichbare Senkung der Unternehmenssteuer geben. «Davon hängt die
Wettbewerbsfähigkeit und die Stabilisierung der Konjunktur ab.» Die
Konjunktur in Deutschland hat sich abgekühlt. Söder sagte aber
zugleich, es gebe gute Aussichten, dass es im Koalitionsausschuss
eine Einigung gebe. «Letztlich geht es um die Gesamtsumme der Kosten
und die Strukturen für die Grundrente.» Die Vorlage für den Ausschuss

sei eine sehr solide Basis.

Der Verhandlungsführer der CDU, Unions-Fraktionsvize Hermann Gröhe,
sagte am Samstag, in der Arbeitsgruppe der Koalition seien wichtige
Vorarbeiten gelungen. «Dabei war unser Maßstab der Koalitionsvertrag.
Wir werden eine am tatsächlichen Bedarf ausgerichtete Ausgestaltung
einer Grundrente sicherstellen. Dabei kommt der Einkommensprüfung,
bei Ehepaaren unter Einbeziehung des Partners, die entscheidende
Bedeutung zu.» Auch der Koalitionsvertrag sehe eine
Nichtberücksichtigung selbst genutzten Wohneigentums vor.
«Unbezahlbare Politik mit der Gießkanne wird es mit uns nicht geben.»


Die Arbeitsgruppe der Koalition hatte bis zum frühen Freitagmorgen
getagt. Danach erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus
Koalitionskreisen, zwar solle auf das Wort «Bedürftigkeitsprüfung»

verzichtet werden - die Finanzämter sollten aber «das zu versteuernde
Einkommen» den Berechnungen zugrunde legen. Das könnte bedeuten, dass
steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalerträgen oder aus Mieten und
Verpachtungen mitberücksichtigt werden.

Einigkeit besteht darüber, dass alle, die 35 Jahre an Beitragszeiten
aufweisen, eine Rente zehn Prozent oberhalb der Grundsicherung
bekommen. Das war auch im Koalitionsvertrag vereinbart. Allerdings
streiten Union und SPD seit Monaten darüber, wer genau den
Rentenaufschlag erhalten soll. Die Union pocht auf die im
Koalitionsvertrag vereinbarte Prüfung der tatsächlichen
Bedürftigkeit, die SPD lehnt dies ab.

Die Gesamtkosten für die Grundrente sollten unter zwei Milliarden
Euro bleiben. Darauf hatte nach dpa-Informationen die Union gepocht.
Der SPD war wichtig, dass möglichst viele Menschen erreicht werden,
zuletzt sollten es noch etwa 1,5 Millionen sein. Mit der Grundrente
sollen Menschen, die trotz langer Beitragszeit nur sehr wenig Rente
bekommen, einen Zuschlag erhalten.

Voraussetzung für die Grundrente sollte laut Koalitionsvertrag eine
Bedürftigkeitsprüfung entsprechend der Grundsicherung sein. Die Union
wollte die im Koalitionsvertrag vereinbarte Prüfung der tatsächlichen
Bedürftigkeit gewährleistet sehen. Die SPD lehnte eine solche Prüfung

dann aber ab. Dem Vernehmen nach soll vor allem die CDU bis zuletzt
Vorbehalte gehabt haben.

Der Arbeitgeberverband BDA warnte die Union vor einem
Grundrenten-Kompromiss mit der SPD. In einem Brandbrief an
Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU), der «Bild am Sonntag» vorliegt,
schrieb BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter, es dürfe nicht
sein, dass immer weitere Milliarden für das Koalitionsklima statt für
dringend nötige Infrastruktur- und Zukunftsmaßnahmen investiert
würden.