Schlechte Stimmung und große Vorhaben - GroKo in Halbzeitdämmerung Von Basil Wegener und Andreas Hoenig, dpa

Was kann die GroKo vorweisen - wie will sie weitermachen? Zur
Halbzeit sollten die unterschiedlichen Ziele am Montag im
Koalitionsausschuss hart aufeinanderprallen - das Spitzentreffen aber
wurde verschoben.

Berlin (dpa) - Union und SPD können pünktlich zur geplanten
Halbzeitbilanz einiges vorweisen: Sie haben viele Versprechungen
eingelöst und Gesetze auf den Weg gebracht - trotzdem sind Image und
Stimmung schlecht. Beim Koalitionsausschuss am Montag sollte es
eigentlich ans Eingemachte gehen. Doch am Sonntagnachmittag kam die
überraschende Nachricht: der Koalitionsausschuss wird auf kommenden
Sonntag verschoben. Begründung: bei der Grundrente gebe es noch
offene Punkte. Steuert die Koalition damit in eine handfeste Krise?
Während die SPD unbedingt die Grundrente durchbringen will, pocht die
Union auf Erleichterungen für die Wirtschaft angesichts der lahmenden
Konjunktur.

Dahinter steht auch die Frage, wie sehr die einzelnen Repräsentanten
der GroKo überhaupt noch ans Regierungsbündnis glauben. Hat die
angeschlagene CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer größere Chancen
auf die Kanzlerkandidatur, wenn die Koalition vorzeitig platzt und
sich ihre innerparteilichen Gegner noch nicht sortiert haben - oder
wenn das Bündnis tatsächlich bis 2021 weitermacht? Wer hat bei der
SPD überhaupt das Sagen - und kann es die GroKo vielleicht
stabilisieren, wenn Vizekanzler Olaf Scholz und seine Teampartnerin
Klara Geywitz beim Rennen um den Parteivorsitz gewinnen?

AKTUELLER KONFLIKT:

Union und SPD wollen die Grundrente auf den Weg bringen - immerhin
ist der Aufschlag auf Minirenten seit langem versprochen. In der SPD
knüpfen führende Politiker unverhohlen den Bestand der GroKo an die
Verwirklichung dieses Sozialprojekts. Und nach mehreren langen
Verhandlungsrunden einer hochrangigen Arbeitsgruppe sind beide Seiten
auch weit gekommen: Abhängig gemacht werden soll der Rentenaufschlag
von einer Prüfung des Einkommens beim Finanzamt. Doch führende
Unionspolitiker wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU),
Mitglied der AG, betonten am Wochenende: «Geeinigt ist nichts.» Nur
Rentner dürften unterstützt werden, die trotz mehr als 35 Jahren
Arbeit sehr wenig zum Leben haben. Rentner mit Mieteinnahmen zählten
nicht dazu. Wie auch bereits CSU-Chef Markus Söder pocht Spahn zudem
im Gegenzug auf Erleichterungen für Unternehmen - die Wirtschaft
fordert seit langem steuerliche Entlastungen.

BILANZ:

Anfang November sollte das Bundeskabinett die bisherige Arbeit der
GroKo bilanzieren - die Parteien sollen die Bilanz dann bewerten. So
schlecht sieht das Zwischenzeugnis gar nicht aus: Nach 18 Monaten
ihrer Amtszeit haben Union und SPD laut Bertelsmann Stiftung zwei
Drittel ihrer Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt oder
zumindest angepackt. Ende September wurden 48 Prozent der Versprechen
vollständig erfüllt, 4 Prozent teilweise, weitere 14 Prozent nahm die
GroKo in Angriff. Auf der Habenseite sind durchaus auch Projekte mit
weitreichenden Folgen.

AUF DEN WEG GEBRACHT: 

Erst kürzlich beschloss das Kabinett weitere Bausteine des
Klimapakets. So sollen Ölheizungen zum Auslaufmodell werden. Ein
CO2-Preis soll nicht nur das Heizöl, sondern auch Diesel, Benzin und
Erdgas teurer machen. Der Preis soll zunächst bei 10 Euro pro Tonne
liegen und dann steigen. Offen ist, ob das Klimapaket wirklich so
wirkt, damit Deutschlands Klimaziele auch erreicht werden - und ob
die Einhaltung wirklich wie geplant geprüft und andernfalls
nachgesteuert wird.

Ob bei Familienentlastungen, dem Recht auf Rückkehr von Teil- in
Vollzeit oder der Fachkräfteeinwanderung: Viele Gesetze mit
weitreichendem Charakter und Symbolkraft sind auf den Weg gebracht.
Wenn derzeit zum Beispiel Familienministerin Franziska Giffey (SPD)
durch die Bundesländer tourt und Verträge über millionenschwere Hilfe

für die Kitas unterschreibt, geht das aufs Gute-Kita-Gesetz zurück. 


WAS NOCH KOMMEN KÖNNTE: 

Beispiel Gesundheit und Pflege: Minister Spahn will im ersten
Halbjahr 2020 Vorschläge zur künftigen Finanzierung der Pflege
vorlegen. Auch bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens drückt
der CDU-Mann aufs Tempo - etwa mit dem Start der elektronischen
Patientenakte Anfang 2021.

Auch bei Verkehr und Infrastruktur soll noch einiges passieren -
obwohl Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) derzeit nach dem
Maut-Debakel mächtig unter Druck ist. Scheuer will etwa
Genehmigungsverfahren für Infrastruktur-Verkehrsprojekte
beschleunigen, die Bahn stärken und den Ausbau des schnellen
Internets vorantreiben.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat unterdessen vor wenigen
Tagen die Grundzüge einer «EU-Cloud» vorgestellt, damit Europa mehr
Datensouveränität bekommt. Ein großes Thema ist daneben die
Energiewende: Der Ausbau der Windenergie ist ins Stocken geraten, der
Bau neuer Stromleitungen kommt nicht richtig voran. Und die
Strompreise steigen.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) - ohnehin einer der Aktivposten
der SPD-Kabinettsmitglieder - hat vorsorglich eine ganze Reihe
Vorhaben vorgeschlagen: von persönlichen Arbeitszeitkonten über
Reformen bei Kindergeld und Hartz IV bis zu Hilfen für
Geringverdiener.