Experten wollen Gläserne Figuren im Hygiene-Museum erhalten

Gläserne Figuren aus dem Hygiene-Museum Dresden waren einst Sensation
und Erklärmodell. Einblicke in den Körper bieten längst neue Medien,

die Kunststoffobjekte sind kulturhistorische Modelle - und sie
altern.

Dresden (dpa/sn) - Gelb statt glasklar, geschrumpft, verformt: Für
den Erhalt der im 20. Jahrhundert zu Anschauungszwecken gefertigten
sogenannten Gläsernen Figuren suchen Wissenschaftler nach Lösungen.
Eine wirkliche Restaurierung der anatomischen Objekte aus Kunststoff,
die den Blick ins Innere, auf Skelett, Organe und Blutbahnen von
Mensch und Tier bieten, kommt nicht in Frage. «Sie wieder schön zu
machen, ist nicht das Ziel, aber der Alterungsprozess kann
verlangsamt werden», sagte Christoph Herm von der Dresdner Hochschule
für Bildende Künste am Donnerstag bei einer Internationalen Tagung im
Deutschen Hygiene-Museum Dresden (DHMD).

Rund 100 Experten aus Museen und Sammlungen diskutierten über
Ergebnisse eines Forschungsprojekts zum Alterungsprozess der
durchsichtigen Skulpturen. Sie empfehlen, Konzepte zum Erhalt der
Figuren aus Celluloseacetat vom Einzelobjekt ausgehend zu entwickeln.
Zwar gebe es Forschungen zu dem Material im Film- und Fotobereich,
berichtete Expertin Ursula Haller. Diese seien aber wegen der
Materialvielfalt und Dreidimensionalität der Gläsernen Figuren nicht
anwendbar.

Im Zuge des seit 2016 laufenden Forschungsprojektes definierten die
Wissenschaftler konkrete Grenzwerte für die Kunststoff-Figuren.
«Wünschenswerte optimale Bedingungen sind eine Temperatur von 15 Grad
und 30 Prozent Luftfeuchte», sagte Herm. Im Depot des DHMD sind es
nach Worten von Sammlungsleiterin Susanne Roeßiger derzeit um die 20
Grad. Die Außenhaut der einst aufsehenerregenden Körpermodelle sei
nicht mehr glasklar, sondern vergilbt, geschrumpft, verformt. «Das
lässt sich gerade bei diesem Werkstoff nicht zurückdrehen», sagte
Haller.

Friederike Waentig von der Technischen Hochschule Köln plädierte
dafür, die Veränderungen des Materials zu akzeptieren. «Auch bei der

Gläsernen Frau oder dem Gläsernen Mann geht es um die Frage des
Umgangs mit dem Älterwerden.» Zur Authentizität dieser Objekte gehö
re
auch die besondere Geschichte. Nach Angaben von Roeßiger sind
weltweit noch 38 der Gläsernen Figuren erhalten, die zwischen 1925
und 2000 im Hygiene-Museum hergestellt wurden. Zum Dresdner Bestand
gehören elf der besondern Skulpturen, neben Männern und Frauen auch
eine Kuh, ein Pferd und eine Schwangere.

Dank des durchsichtigen Kunststoffs Cellon konnten beim Gläsernen
Ur-Mann 1930 erstmals alle wesentlichen Bestandteile des Körpers in
Funktion betrachtet werden - eine Sensation. Haut und Muskelgewebe
sind durchsichtig und geben den Blick auf das aus Aluminium gegossene
Skelett, die inneren Organe aus Plastik sowie Blutgefäße und
Nervenbahnen aus Draht frei. Insgesamt entstanden rund 150 Gläserne
Figuren, zuletzt aus Acrylglas, auch für Universitäten und Museen.
Mit dem Aufkommen neuer Medien zur Betrachtung des Körperinneren hat
sich ihre Bedeutung geändert, sagte Roeßiger. «Aus dem anatomischen
Erklärmodell ist ein kulturhistorisches Objekt geworden.»