Pflegebrücke nach Mexiko - Neue Wege bei der Suche nach Fachkräften Von Michael Donhauser, dpa

In Mexiko, auf den Philippinen oder in Bosnien haben viele Menschen
keine Chance auf einen Job - das will die Bundesagentur für Arbeit
stärker nutzen. Mit speziellen Programmen fischen die Nürnberger nach
Fachkräften in aller Welt. Zum Wohle beider Seiten, wie es heißt.

Nürnberg (dpa) - US-Präsident Donald Trump baut an einer Mauer, mit
der er Eindringlinge aus Mexiko abhalten will. Deutschland baut eine
Brücke. Die Bundesagentur für Arbeit will in einer konzertierten
Aktion Tausende Arbeitnehmer aus Nicht-EU-Ländern nach Deutschland
holen, um die Löcher zu füllen, die der Fachkräftemangel in vielen
Sparten aufreißt. Es geht um Techniker, IT-Fachleute, Handwerker -
vor allem aber um Kräfte für die Pflege von Alten und Kranken. Dort
ist der Notstand am größten und spürbarsten.

Wenn Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Ende dieser Woche nach
Mexiko reist und dort um Kranken- und Altenpfleger für deutsche
Einrichtungen wirbt, sind die ersten 100 schon hierzulande tätig,
bald soll die Zahl auf 300 steigen. Die ersten Erfahrungen sind
durchweg positiv. In einem Altenheim in Passau etwa schätzt man die
hohe Motivation und die freundliche Art der Pfleger mit einer Anreise
von 10 000 Kilometern.

Schon seit fünf Jahren fahndet die Bundesagentur gezielt nach
ausländischen Arbeitskräfte, die sich sonst nicht ohne weiteres in
Deutschland ansiedeln könnten - auf den Philippinen, in Tunesien oder
auch in Bosnien-Herzegowina.

Die EU bietet über die sogenannte Blue Card sogar schon seit 2012
ausländischen Akademikern ein dauerhaftes Arbeits- und Bleiberecht
an, wenn sie neben einem Hochschulabschluss auch ein bestimmtes
Mindesteinkommen - derzeit rund 53 000 Euro im Jahr - vorweisen
können.

Auch wenn im vergangenen Jahr 60 000 Menschen aus Nicht-EU-Ländern
aus beruflichen Gründen nach Deutschland kamen - für Angehörige
nicht-akademischer Ausbildungsberufe blieb die Tür jedoch allzu oft
zu, obwohl ihre Fähigkeiten dringend gebraucht würden. Allein in der
Pflege fehlen in Deutschland derzeit 40 000 Kräfte.

Die Nürnberger Behörde geht jetzt koordiniert vor. Mit den Vertretern
potenzieller Arbeitgeber im Schlepptau reisen die Arbeitsvermittler
in die Zielländer und suchen in enger Absprache mit der örtlichen
Arbeitsverwaltung nach geeigneten Leuten. Die Arbeitsverträge werden
oft an Ort und Stelle unterschrieben. Sie bilden die Grundlage für
das dann folgende Prozedere: Die Kandidaten lernen in ihrem
Heimatland Deutsch.

Die Bundesagentur koordiniert wie eine Art «Makler» den Papierkram,
kümmert sich unterstützend etwa um Visum und Arbeitserlaubnis und um
die Anerkennung der im Ausland erworbenen Abschlüsse. Schluss soll
sein mit den Berichten Betroffener, die etwa in der philippinischen
Hauptstadt Manila auf gepackten Koffern saßen, aber ein halbes Jahr
auf einen Termin bei der Deutschen Botschaft warteten, um einen
Visumsantrag zu stellen.

«Triple Win» heißt das Projekt, über das Pflegekräfte von den
Philippinen, Tunesien und vom Balkan nach Deutschland kommen sollen.
«3500 solcher Verträge sind bereits geschlossen», sagt Daniel
Terzenbach, Vorstand bei der Bundesagentur in Nürnberg. «2100 Leute
arbeiten schon in Deutschland, der Rest bereitet sich gerade darauf
vor.»

Künftig soll auch Mexiko ein Eckpfeiler der Auslands-Aquise werden.
Ein einfaches Unterfangen ist das nicht. «Das Anwerben von
Arbeitskräften aus Drittstaaten ist harte Arbeit», sagt Terzenbach.
Vor allem die Anerkennung über Kammern oder bei den Bundesländern sei
ein enormer Aufwand. Die Bundesagentur versuche auch, «einen fairen
Mobilitätsprozess» zu organisieren. Keinesfalls sollen die Menschen
aus fernen Ländern in Deutschland an die falschen Leute geraten und
abgezockt werden, um dann vielleicht schon mit Schulden beladen
Arbeit aufzunehmen.

Terzenbach setzt auch deshalb nicht auf schnelle Erfolge. In fünf
Jahren eine fünfstellige Zahl von Verträgen zu erreichen - das sei
ein sehr ehrgeiziges Ziel. «Es muss nachhaltig sein», sagt der
BA-Vorstand. «Es hilft nichts, schnell mal 50 Leute zu holen. Sonst
würden auch die Behörden in den Zielländern nicht mehr bereit sein,
zu kooperieren.»

Die Jagd der reichen Deutschen auf Arbeitskräfte aus dem Ausland
stößt nicht nur auf Zustimmung. Kritiker bemängeln, deutsche
Arbeitgeber ließen sich die Ausbildung von Ländern bezahlen, die weit
weniger wohlhabend seien als hierzulande. Die Menschen werden mit
großem Aufwand ausgebildet, der heimische Arbeitsmarkt kann die
Spezialisten aber nicht nutzen.

«Vor dem Hintergrund einer guten internationalen Zusammenarbeit
stellen sich Fragen, wenn wir diese Leute den Arbeitsmärkten dieser
Länder entziehen», sagt etwa der Präsident der Deutschen Gesellschaft

für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), der Amberger Professor Anton
Scharl. «Ein reiches Land wie Deutschland sollte auch die
Finanzmittel für die Ausbildung des bei uns notwendigen Fachpersonals
aufbringen.»

Die Bundesagentur kennt das Problem und will diesem begegnen. «Wir
sind die Guten», sagt Terzenbach. Es gehe bei den Nürnberger
Werbungsversuchen ausschließlich um Fachkräfte, die auf den
Heimatmärkten zu viel sind und keine Chance auf einen Job haben.
«Beide Länder müssen etwas davon haben», sagt Terzenbach.