US-Konzern Purdue beantragt Insolvenz wegen Opioid-Klagen

Dem Unternehmen Purdue wird vorgeworfen, mit seinem Schmerzmittel
Oxycontin ein Wegbereiter der Opioid-Epidemie und Drogenkrise in den
USA gewesen zu sein. Wegen zahlreicher Klagen will die umstrittene
Eigentümerfamilie Sackler die Firma nun in die Insolvenz schicken.

Stamford/New York (dpa) - Der US-Pharmakonzern Purdue Pharma, gegen
den mehr als 2000 Klagen wegen des süchtig machenden Schmerzmittels
Oxycontin laufen, hat Gläubigerschutz beantragt. Mit dem Verfahren
nach Kapitel 11 des US-Insolvenzrechts will Purdue die Klagen
beilegen, wie das Unternehmen am Montag in Stamford im US-Bundesstaat
Connecticut mitteilte. Die Firma soll in eine Stiftung der
öffentlichen Hand überführt werden. Doch die Vereinbarung ist höchs
t
umstritten und wird von vielen Klägern abgelehnt.

Bundesstaaten, Städte und Landkreise fordern von dem Unternehmen der
lange Zeit vor allem durch ihr Mäzenatentum bekannten Familie Sackler
Milliarden von Dollar zurück, die sie für den Kampf gegen
Opiat-Abhängigkeit und Überdosierung ausgegeben haben. Opioide sind
zum Teil synthetisch hergestellte Arzneimittel - wie etwa Oxycontin -
mit unter anderem schmerzlindernden Eigenschaften. Sie bergen jedoch
auch enorme Abhängigkeitsrisiken und hohes Missbrauchspotenzial.

Purdue und den Sacklers wird vorgeworfen, solche Schmerzmittel unter
Verschleierung der Suchtgefahren mit rücksichtslosen und aggressiven
Methoden vermarktet zu haben. Damit wurde aus Sicht der Kläger ein
wesentlicher Grundstein für die verheerende Opioid-Epidemie in den
Vereinigten Staaten gelegt, die in den vergangenen Jahren laut
US-Behörden zu Hunderttausenden Toten durch Überdosierungen führte.

Ursprünglich wollten die Behörden bis zu 12 Milliarden US-Dollar
(rund 11 Milliarden Euro) an Schadenersatz fordern, die
Purdue-Verantwortlichen konnten sich aber mit diesen auf einen
Vergleichsbetrag von mehr als 10 Milliarden US-Dollar einigen. Das
wäre damit die bisher höchste Vergleichssumme im Zusammenhang mit der
in den USA grassierenden Welle der Opioid-Abhängigkeit.

Die seit Wochen von Insidern in US-Medien gestreuten Zahlen sind
jedoch mit Vorsicht zu genießen. Kritiker haben große Zweifel am
Vergleichsvolumen geäußert, in dem etliche ungewisse Posten wie
Erlöse aus künftigen Medikamentenverkäufen eingerechnet sind. Die im

Mittelpunkt des Konflikts stehende Unternehmerfamilie Sackler soll
lediglich bereit sein, 3 Milliarden Dollar in bar und weitere rund
1,5 Milliarden durch den Verkauf einer anderen Firma zu zahlen.

Die Gegner des Vergleichs sind der Meinung, dass die Sacklers damit
zu glimpflich davon kommen würden. Das US-Magazin «Forbes» schätzte

das Vermögen der Familie zuletzt auf etwa 13 Milliarden Dollar. Der
Clan hat seinen Reichtum maßgeblich durch das Geschäft mit
umstrittenen Schmerzmitteln angehäuft. «Während unser Land sich von
dem Massensterben erholt, dass die Sacklers mit ihrer Gier
angerichtet haben, versucht die Familie, sich aus der Verantwortung
zu ziehen», sagte New Yorks Generalstaatsanwältin Letitia James.

Sie vertritt einen der zahlreichen Bundesstaaten, die den Vergleich
mit Purdue und den Sacklers ablehnen. Nach Informationen der «New
York Times» tragen den Deal bislang 24 US-Staaten mit, während 26
dagegen sind. Wie es weitergeht, wird sich beim zuständigen
Insolvenzgericht in White Plains, New York, entscheiden.

Am Freitag hatte die New Yorker Staatsanwaltschaft weitere schwere
Vorwürfe gegen die Sacklers erhoben und den Clan beschuldigt, eine
Milliarde Dollar unter anderem auf Schweizer Bankkonten versteckt zu
haben. Wegen der Kritik an den Sacklers haben mehrere berühmte Museen
die jahrelange Zusammenarbeit mit der Familie beendet, etwa das
Metropolitan Museum in New York, die Tate Modern in London und der
Louvre in Paris.

Erst Ende August hatte ein US-Gericht den Pharmakonzern Johnson &
Johnson wegen unrechtmäßiger Vermarktung von suchtgefährdenden
Schmerzmitteln zu einer Zahlung von 572 Millionen Dollar verurteilt.
Johnson & Johnson kündigte umgehend an, Berufung gegen die
Entscheidung einzulegen. Der Generalstaatsanwalt von Oklahoma, Mike
Hunter, hatte dem Konzern vorgeworfen, mit suchtgefährdenden
Schmerzmitteln ein Wegbereiter der Opioid-Welle und Drogenkrise
gewesen zu sein. Diese Klage hatte sich auch gegen Purdue gerichtet,
doch dem Unternehmen war es gelungen, den Prozess durch eine
Vergleichszahlung von 270 Millionen Dollar abzuwenden.