Babys mit Fehlbildungen: NRW-Ministerium will alle Kliniken abfragen

Was steckt hinter der Häufung von Neugeborenen mit fehlgebildeten
Händen in Gelsenkirchen? Die Aufklärung dürfte kompliziert werden.
Könnte ein nationales Fehlbildungs-Register für mehr Klarheit sorgen?

Düsseldorf (dpa) - Nach einer ungewöhnlichen Häufung von
Fehlbildungen bei Neugeborenen an einer Gelsenkirchener Klinik will
sich Nordrhein-Westfalens Gesundheitsministerium einen genaueren
Überblick verschaffen. Das Ministerium werde alle Klinken in dem
Bundesland abfragen, ob dort ähnliche Fehlbildungen aufgefallen
seien, sagte eine Sprecherin der Düsseldorfer Behörde am Samstag auf
Anfrage. Man nehme die Berichte über solche Fälle «sehr ernst».

«Darüber hinaus nehmen wir Kontakt mit den Ärztekammern, dem Bund und

den anderen Bundesländern auf, um möglichen Ursachen mit aller
Sorgfalt nachzugehen.» Ob ein Melderegister der richtige Weg sei,
gelte es gemeinsam zu prüfen, sagte die Sprecherin des
Landesministeriums, das von dem CDU-Politiker Karl-Josef Laumann
(CDU) geführt wird.

Im Sankt Marien-Hospital Buer in Gelsenkirchen waren zwischen Mitte
Juni und Anfang September drei Kinder mit fehlgebildeten Händen
geboren worden. Zuvor hatte es dort nach Angaben der Klinik jahrelang
keinen einzigen Fall gegeben. Bei allen drei Kindern sei jeweils eine
Hand betroffen. An dieser Hand seien Handteller und Finger nur
rudimentär angelegt. In der Klinik wurden 2018 nach eigenen Angaben
mehr als 800 Kinder geboren. Das Krankenhaus hat eine vertiefte
Ursachenforschung angekündigt, die allerdings nur mit Einwilligung
der Eltern stattfinden könne.

Unterdessen äußerte sich das Bundesgesundheitsministerium von Jens
Spahn (CDU) zurückhaltend. Zu den konkreten Fällen lägen keine
Erkenntnisse vor, teilte ein Ministeriumssprecher am Samstag in
Berlin mit. «Wenn es eine auffällige Häufung von Fehlbildungen bei
Neugeborenen geben sollte, muss das so schnell wie möglich geklärt
werden», erklärte er. Das Ministerium begrüße, dass das betreffende

Krankenhaus Kontakt zur Berliner Charité aufgenommen habe.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach rief Spahn in der
«Bild»-Zeitung dazu auf, «dringend eine Studie in Auftrag zu geben,
die systematisch die Daten der Kliniken und die Häufigkeit der Fälle
erfasst». Das Bundesgesundheitsministerium erklärte, Informationen zu
Fehlbildungen beinhalteten insbesondere die Perinatalstatistik sowie
die Krankenhausdiagnosestatistik. Der Begriff perinatal bedeutet im
medizinischen Sprachgebrauch den Zeitraum kurz vor, während und kurz
nach der Entbindung. Ein nationales Fehlbildungsregister existiert
nicht.

Das Bundesministerium teilte mit, laut einer Bundesauswertung zur
Perinatalstatistik des Instituts für Qualitätssicherung und
Transparenz im Gesundheitswesen seien 2017 in Deutschland 6884 Kinder
mit Fehlbildungen in Krankenhäusern geboren worden. Damit seien etwa
0,89 Prozent der Neugeborenen betroffen gewesen. Die
Perinatalstatistik verzeichnet nach Angaben des Ministeriums die Zahl
der mit Fehlbildungen geborenen Kinder, sie beinhaltet jedoch keine
Informationen über die Art der Fehlbildung.

Die Datenlage ist schwierig. Zwar enthält die
Krankenhausdiagnosestatistik des Statistischen Bundesamtes weitere
Informationen. Diese gebe Auskunft über die Anzahl der stationären
Behandlungsfälle mit spezifischen Diagnosen. Diese Statistik
beinhalte allerdings keine Informationen über die Zahl der
behandelten Personen, teilte das Gesundheitsministerium in Berlin
mit. Das bedeute, ein Kind, das zweimal im Krankenhaus behandelt
werde, würde als zwei Fälle gezählt. Zugleich tauchten Kinder ohne
stationäre Behandlung in dieser Statistik nicht auf.

Regionale Daten werden nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums
für das Fehlbildungsregister Sachsen-Anhalt und das Geburtenregister
«Mainzer Modell» erhoben. Daten aus beiden regionalen Registern
würden an das europäische Register EUROCAT gemeldet, das seit 1979
bestehe und derzeit Daten aus 23 europäischen Ländern enthalte.