Ärztin nach Sterbehilfe für demente Frau freigesprochen

In den Niederlanden ist aktive Sterbehilfe möglich - wenn der Patient
das ausdrücklich will. Doch was ist mit Demenzkranken? Eine Ärztin
beendete das Leben einer Frau mit Alzheimer. Ein Grenzfall.

Den Haag (dpa) - Nach der aktiven Sterbehilfe bei einer schwer
demenzkranken Frau ist eine niederländische Ärztin vom Vorwurf des
Mordes freigesprochen worden. Die Ärztin habe sorgfältig und nach den
gesetzlichen Regeln gehandelt, urteilte ein Gericht am Mittwoch in
Den Haag. Es war der erste Strafprozess zur aktiven Sterbehilfe nach
der Legalisierung in den Niederlanden 2002. Das Urteil wird als
wichtiges Signal gewertet für Fälle von aktiver Sterbehilfe bei
demenzkranken Patienten.

Es ging um eine 74 Jahre alte Frau. Bei ihr war 2012 Alzheimer
diagnostiziert worden. Daraufhin hatte sie eine Patientenverfügung
unterzeichnet und darin ausdrücklich festgehalten, dass sie im Falle
schwerer Demenz Sterbehilfe wolle. Mehrfach, so hatten Hausarzt und
auch Angehörige ausgesagt, hatte die Frau ihren Sterbehilfe-Wunsch
bekräftigt. Doch dann ging es plötzlich sehr schnell. Anfang 2016
stellte der Hausarzt fest, dass die Frau nicht mehr wusste, was
Sterbehilfe eigentlich war.

Im Pflegeheim war die Ärztin mit der Patientenverfügung konfrontiert
worden. Sie hatte mehrfach mit der Patientin gesprochen, doch die
hatte nun ganz unterschiedliche Signale gegeben. Die Medizinerin
hatte auch Kollegen konsultiert. Psychologen hatten die Frau
beobachtet. «Es entstand das Bild einer tief demenzkranken Frau, die
einen enormen Verlust ihrer Persönlichkeit durchgemacht hatte und
noch immer durchmachte», so stellte das Gericht fest.

Die Ärztin beschloss im April 2016 im Einvernehmen mit dem Ehemann
und der Tochter das Leben der Frau zu beenden. Zunächst gab man der
Patientin Kaffee mit einem Beruhigungsmittel. Anschließend wurden ihr
zwei Medikamente gespritzt, die dann zum Tode führten.

Kernfrage bei dem Prozess war: Reicht eine Patientenverfügung auch
bei schwer demenzkranken Patienten aus? Die Richter urteilten Ja.
«Das Gericht urteilt, dass der Arzt den aktuellen Sterbewunsch nicht
verifizieren musste», heißt es in dem Urteil. «Die Patientin war tief

dement und völlig unfähig, ihren Willen zu äußern.»

Die Staatsanwaltschaft hatte einen Schuldspruch gefordert -
allerdings ohne weitere Strafe. Die Ärztin hätte zunächst noch ein
Gespräch mit der Patientin führen müssen. Die Staatsanwaltschaft will

das Urteil nun prüfen und dann über eine mögliche Berufung
entscheiden. Befürworter der aktiven Sterbehilfe begrüßten
das Urteil. Bedenken kamen allerdings von christlichen Parteien. Der
niederländische Ärzteverband erarbeitet zurzeit eine Richtlinie zum
Umgang mit Patienten, die ihren Wunsch nicht mehr äußern können.

Die Niederlande hatten als erstes Land der Welt die aktive
Sterbehilfe unter strengen Bedingungen ermöglicht. Danach muss ein
Patient unerträglich und aussichtslos leiden, er muss selbst
ausdrücklich um Sterbehilfe gebeten haben und ein zweiter Arzt muss
konsultiert werden. In Deutschland ist aktive Sterbehilfe durch einen
Arzt - der sogenannte Tod auf Verlangen - strafbar.

Im vergangen Jahr gab es in den Niederlanden rund 6200 Fälle von
aktiver Sterbehilfe, darunter nach Schätzungen zwei bis drei von
Demenzkranken. In den meisten Fällen handelt es sich um
Krebs-Patienten im letzten Stadium ihrer Krankheit.