CO2-Matratze und MRT-Revolution: Nominierungen für Zukunftspreis Von Sabine Dobel, dpa

Projekte aus Wirtschaft, Medizin und Industrie gehen ins Rennen um
den Deutschen Zukunftspreis 2019. Sie betreffen effizientere Abläufe
in Unternehmen, eine bessere bildgebende Diagnostik - und eine
überraschende Nutzungsmöglichkeit für Kohlendioxid.

München (dpa) - Mit gutem Gewissen schlafen - auf einer Matratze, für
deren Herstellung das Klimagas Kohlendioxid verwendet wurde. Die
Nutzung von Kohlendioxid als Rohstoff ist eine von drei Innovationen,
die für den Deutschen Zukunftspreis nominiert sind. Gut zweieinhalb
Monate vor der Vergabe haben die drei nominierten Forscherteams in
München ihre Projekte vorgestellt. Neben der CO2-Nutzung geht es um
eine datenbasiert optimierte Gestaltung von Abläufen in Unternehmen
sowie um eine bessere Diagnostik bei schweren Erkrankungen über
extrem hochaufgelöste Kernspin-Bilder.

Mit dem Recycling von Kohlendioxid, das in Massen ausgestoßen zum
Klimawandel beiträgt, haben sich Wissenschaftler der
Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, des
Max-Planck-Instituts für chemische Energiekonversion und des aus dem
Bayer-Konzern ausgegründeten Werkstoffherstellers Covestro befasst.
«Früher haben wir CO2 als unschönen Abfallstoff abgetan, jetzt sehen

wir es zunehmend als Ressource, ein wenig inspiriert von der Natur»,
sagt der Teamsprecher und Chemiker Christoph Gürtler.

Schon jetzt könnten in einer Anlage in Dormagen theoretisch die
Materialien für jährlich 500 000 «grüne» Matratzen hergestellt
werden. Es gehe auch um synthetische Fasern: Socken, T-Shirts und
Sportwäsche könnten künftig unter Verwendung CO2 hergestellt werden.

Und langfristig könnten auch Kühlschränke oder sogar Gebäude mit de
m
Material gedämmt werden. Auf diese Weise könnten Hunderttausende
Tonnen CO2 verwertet werden. Der Beitrag sei zwar gemessen an den
weltweiten CO2-Emissionen gering, aber bezogen auf die chemische
Industrie substanziell, sagte Gürtler.

Bisher scheiterte die Nutzung von CO2 als Rohstoff am Energieaufwand.
Den Forschern ist es gelungen, einen erdölbasierten Grundstoff
mittels eines Katalysators bis zu 20 Prozent durch Kohlendioxid zu
ersetzen. Gürtler sprach von einem Quantensprung.

Um einen Meilenstein geht es auch bei einem neuen
Magnetresonanztomographen, den Forscher des Universitätsklinikums
Erlangen, der Siemens Healthineers AG und des Deutschen
Krebsforschungszentrums in Heidelberg entwickelt haben. Sie
konstruierten ein für die klinische Nutzung geeignetes Gerät, das mit
einer Feldstärke von 7 Tesla extrem präzise Bilder liefert.

Damit lassen sich etwa im Gehirn Strukturen erkennen, die sonst
beispielsweise erst bei einer Öffnung des Schädels zu sehen sind.
«Damit kann die Diagnose zuverlässiger und früher gestellt werden,
sagte Teamsprecherin Christina Triantafyllou. Feine krankhafte
Veränderungen bei Demenz, Epilepsie und Multipler Sklerose seien so
frühzeitig feststellbar. Das ermögliche einen raschen Therapiebeginn,
sagte Teammitglied Arnd Dörfler. Das Hochleistungs-MRT erleichtere
auch die Nachsorge von Krebspatienten. Bisher dauert es oft lange,
bis über MRT ein Erfolg oder Misserfolg einer Tumortherapie sichtbar
wird.

Bisherige Geräte im Klinikalltag kommen auf 1,5 oder maximal auf 3
Tesla. Die 7 Tesla-Geräte waren lange Zeit extrem schwer und kamen
nur für die Grundlagenforschung zum Einsatz. Mit einer veränderten
Anordnung der Magnete bekamen die Erlanger das System
leistungsfähiger und leichter - und damit besser in Klinikstrukturen
integrierbar. Das Gerät wiege nun 17 anstatt 40 Tonnen.

Bereits vor zwei Jahren war eine Entwicklung von Siemens Healthineers
für den Zukunftspreis nominiert. Damals ging es um eine neuartige
Darstellung von MRT- und Computertomographie-Bildern.

Erstmals ist eine softwarebasierte Innovation für den Zukunftspreis
nominiert. Ein Team aus München widmet sich dem Process Mining, einer
Methode des Prozessmanagements, die Abläufe auf Basis digitaler
Spuren überprüft und über Algorithmen ineffiziente Prozesse entlarvt.

Das zeigt Einsparpotenziale, bringt mehr Kundenzufriedenheit - und
erhöht den Profit.

«Traditionell hat man sich hierfür Unternehmensberater ins Haus
geholt, die Interviews mit den Mitarbeitern geführt und sich etwa ein
Bild davon gemacht haben, wie lange ein Prozess dauert. Wir können
das heute mit intelligenten Algorithmen lösen», sagte der
Mathematiker und Teamsprecher Alexander Rinke, der mit zwei
Mitstudenten das Unternehmen Celonis mit inzwischen rund 650 Kunden
weltweit gründete. Anwender hätten berichtet, wie sie binnen zwei
Tagen erfolgreich Verbesserungspotenzial identifizieren konnten,
sagte Rinke. Sensible Daten, etwa von Mitarbeitern oder - in Kliniken
- von Patienten würden nicht genutzt. «Wir nehmen das Thema
Datenschutz sehr ernst.»

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verleiht den Preis am 27.
November in Berlin. Welches der drei Teams die Auszeichnung bekommt,
bleibt bis zuletzt geheim. Der Deutsche Zukunftspreis ist mit 250 000
Euro dotiert und gehört zu den bedeutendsten Wissenschaftspreisen in
Deutschland. Schon die Nominierung gilt als hohe Auszeichnung.
Voraussetzung ist nicht nur die Innovation, das Produkt muss auch
bereits zur Marktfähigkeit entwickelt sein.

Im vergangenen Jahr war ein Forscherteam geehrt worden, das ein
Medikament gegen ein gefährliches Virus entwickelt hatte. Es hält das
Virus auch dann in Schach, wenn das Immunsystem geschwächt ist, etwa
bei Menschen mit einem Spenderorgan. Die Substanz, so hieß es damals,
erschließe neue Perspektiven in der Transplantationsmedizin. Im Jahr
davor ging die Auszeichnung an ein Münchner Team, das einen
feinfühligen Roboter entwickelt hatte, der zum Assistenten des
Menschen werden soll: in der Industrie, aber zum Beispiel auch in der
Pflege.