Rettungsplan für Notaufnahmen - Spahn setzt zu großer Operation an Von Basil Wegener, dpa

Millionen Patienten suchen jedes Jahr die Notaufnahmen der
Krankenhäuser auf - nicht alle bräuchten aber sofort eine Behandlung.
Nun will der Gesundheitsminister eine grundsätzliche Reform.

Berlin (dpa) - Patienten in Deutschland sollen bei akuten Beschwerden
seltener direkt in die Notaufnahme der Krankenhäuser kommen. Die
Notfallambulanzen sollen entlastet werden. Das sieht ein Entwurf aus
dem Haus von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor.

Warum soll die Notfallversorgung reformiert werden?

Die Notaufnahmen der Kliniken sind häufig überlaufen - auch von
Patienten, die dort nicht hingehörten, wie der Präsident der
Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und
Notfallmedizin, Uwe Janssens, sagt. Grippe, Schnittverletzungen und
andere eher banale Erkrankungen seien hier nicht selten. «Dadurch
sind die Wartezeiten für Patienten, die dringend auf eine Behandlung
angewiesen sind, häufig in den Notfallambulanzen zu lang», sagt
Spahn. «Es ist leider eher die Regel als die Ausnahme, dass sogar ein
Sicherheitsdienst notwendig ist bei vielen Notfallambulanzen, um
überhaupt für etwas Ruhe manchmal zu sorgen.» Rund elf Millionen
ambulante Notfälle verzeichnen die Krankenhäuser pro Jahr - Tendenz
steigend. Häufig könnte Patienten etwa durch den Bereitschaftsdienst
besser geholfen werden, meint der Minister.

Sollen die Patienten auch künftig den Notruf 112 wählen können?

Das schon. Aber heute sei festzustellen, «dass vielfach ein Transport
in ein Krankenhaus stattfindet, auch wenn im Einzelfall eine
stationäre Behandlung nicht erforderlich ist», heißt es in dem
Gesetzentwurf. Künftig sollen die Rettungsstellen und die Stellen
hinter der Nummer der Kassenärzte, der 116117, daher gemeinsam als
Gemeinsame Notfallleitstelle fungieren - Patienten sollen dann
verstärkt auch zu einem ärztlichen Bereitschaftsdienst oder einer
normalen Arztpraxis gelotst werden.

Was soll die Patienten bei den Notfallleitstellen künftig erwarten?

Ein standardisiertes, softwaregestütztes Verfahren, mit dem der
Bedarf der Hilfesuchenden ermittelt werden soll. Dabei können etwa
einheitliche Fragebögen genutzt werden, mit denen medizinisches
Fachpersonal einschätzt, ob jemand sofort behandelt werden muss,
einen Hausbesuch braucht oder ob ein Arzttermin etwa am folgenden
Montag ausreicht. Auch könnten Ärzte zugeschaltet werden - etwa auch
auf telemedizinischem Weg. Wie bisher bereits mit der 116117 geplant,
sollen hier künftig auch Termine von Haus- und Fachärzten vermittelt
werden.

Was ist im Krankenhaus geplant?

Die Schaffung neuer Integrierter Notfallzentren. Sie sollen von den
Patienten als erste Anlaufstelle wahrgenommen werden. Wer direkt in
die Klinik geht, soll hier im Notfall schnell versorgt werden.
Patienten sollen von dort aus direkt im Krankenhaus aufgenommen oder
auch zu ambulanten Ärzten vermittelt werden. Patienten, die in ein
Notfallzentrum gehen, sollen dort nicht mehr generell behandelt -
sondern sie sollen stärker gesteuert werden. Betrieben werden sollen
die Zentren gemeinsam von den Kliniken und den Kassenärztlichen
Vereinigungen, die bereits heute für die Arztbereitschaft jenseits
der Krankenhäuser verantwortlich sind.

Was ist beim Rettungsdienst noch vorgesehen?

Die Versorgung am Unfallort und die Rettungsfahrt sollen als einzelne
Leistungen der Krankenkassen finanziert werden. Wegfallen soll die
bisherige Regel, dass die Krankenkassen Einsätze nur dann bezahlen,
wenn der Transport in die Klinik geht.

Warum ist die genaue Umsetzung der Reformpläne noch ungewiss?

Geplant ist es als umfangreiches Unterfangen. Viele bisherige
Zuständigkeiten und Strukturen sollen umgekrempelt werden. So wird
eine Grundgesetzänderung erwogen, damit nicht mehr die Länder alleine
für den Rettungsdienst zuständig sind. Die Länder sollen aber mehr
Rechte und Pflichten bekommen. Sie sollen statt wie bisher die
Kassenärztlichen Vereinigungen für die Sicherstellung der
Patientenversorgung außerhalb der Sprechstundenzeiten zuständig sein
und die Standorte der entsprechenden Notfallzentren festlegen. Keine
genaue Angaben machte Spahn, ab wann das Gesetz gilt und bis wann die
geplante neue Struktur umgesetzt ist.

Wie sind die Reaktionen auf die Pläne?

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft begrüßt, dass die
Notfallversorgung im Kern in den Kliniken organisiert werden soll -
die Kliniken wollen dies aber nicht mit gemeinsamen Betrieben mit den
Kassenärztlichen Vereinigungen tun. Und der Vorsitzende der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, verweist darauf,
dass derzeit «mit großen Anstrengungen» die 116117 zu einer
umfassenden Nummer ausgebaut werde und die Kassenärztlichen
Vereinigungen bereits über 600 Bereitschaftsdienst- oder Portalpraxen
betreiben. «Diese Strukturen gilt es sinnvoll zu integrieren», mahnt
er. Wie auch die Bundesärztekammer betont zudem auch Gassen: Mehr
Ärzte gibt es auch durch neue Strukturen nicht. Spahn dagegen betont,
durch einen effizienten Einsatz der Mittel sollten alle profitieren.