Letzte Chance Bundeswehr? Politiker hinterfragen Kramp-Karrenbauer Von Carsten Hoffmann, dpa

CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer übernimmt nach einer Kehrtwende die
Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte. Wird die
Bundeswehr nun «Chefsache», wie es die CDU den Bürgern erklärt? Ode
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geht es um Kramp-Karrenbauers letzte Chance für das Kanzleramt?

Berlin (dpa) - «Zur Meldung Augen rechts.» Das Wachbataillon des
Verteidigungsministeriums ist angetreten für die neue Chefin. Im
Eiltempo nimmt die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer (56) am
Mittwoch ihren Kabinettsposten ein. «Ich gehe mit vollem Herzen und
auch voller Überzeugung mein Amt als Bundesverteidigungsministerin
an», sagt sie in einer kurzen Ansprache, Fragen werden nicht
beantwortet. Sie würdigte vor allem die Soldaten im Auslandseinsatz,
die im Notfall auch kämpfen müssten, um die Sicherheit Deutschlands
zu verteidigen. «Das ist eine hohe Verantwortung, dieser
Verantwortung bin ich mir sehr bewusst.»

Um 21.30 Uhr war am Vorabend die überraschende Kehrtwende der
CDU-Chefin nach einer Telefonschalte des CDU-Präsidium bekannt
geworden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (39), der bis dahin
als Favorit für den Posten gehandelt worden war, erfuhr von der
Entscheidung selbst am Telefon, wie er am Mittwoch sagt. Nach eigenen
Worten freut er sich: «Die Bundeswehr ist damit bei der CDU
Chefinnen-Sache, im wahrsten Sinne des Wortes. Und das ist gut.»

Um 11.10 Uhr erhält Kramp-Karrenbauer im Schloss Bellevue ihre
Ernennungsurkunde. Keine 20 Minuten später fährt sie im
Verteidigungsministerium zum Dienstantritt vor. Für ihre Vorgängerin
Ursula von der Leyen, die sie begleitet, ist es der Abschied aus
einem von Affären und Kritik überschatteten Ministeramt.

Immer wieder hat Kramp-Karrenbauer einen Wechsel ins Kabinett
ausgeschlossen, weil sie sich ganz auf das Parteiamt konzentrieren
wolle. Was hat zu ihrem Sinneswandel geführt? Kramp-Karrenbauer war
im Saarland bereits Innenministerin, hat aber keine Expertise in der
Verteidigungs- oder Außenpolitik. Mit sicherheitspolitischen Themen
hat sie in den vergangenen Wochen keinen zündenden Erfolg gehabt. In
Erinnerung blieb ihr Vorschlag für einen gemeinsamen
deutsch-französischen Flugzeugträger.

Wollte Kramp-Karrenbauer einfach den Konkurrenten Spahn, der schon im
Rennen um den CDU-Vorsitz gegen sie unterlegen war, nicht mit einem
öffentlichkeitswirksamen Posten vorbeiziehen lassen? Hat sie sich
deswegen kurzfristig selbst in Position gebracht? Und hat sie damit
vielleicht ihre letzte Chance genutzt, um die Weichen Richtung
Kanzleramt zu stellen?

Allerdings kann das Verteidigungsministerium nach den Erfahrungen
anderer Minister nicht als Sprungbrett ins Kanzleramt gelten. Es
lauern viele Fallstricke. Das bringt schon die enorme Zahl von 250
000 Soldaten und Zivilbeschäftigten mit sich. Dazu kommen:
gefährliche Auslandseinsätze, eine von Lobbyisten flankierte
Rüstungsindustrie und vor allem der von der US-Regierung als
weiterhin zu niedrig bezeichnete Verteidigungsetat.

Auf die Neue warten unerledigte Baustellen im Beschaffungswesen und -
drängender noch - schwierige politische Probleme, bei denen
internationale Politik und Uneinigkeit mit dem Koalitionspartner SPD
einen kaum zu lösenden Knoten ergeben. Stichwort Irak, Syrien und der
Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Die USA fordern
eine Fortsetzung der deutschen Beteiligung am gemeinsamen Kampf und
erwarten zusätzlich deutsche Bodentruppen für Syrien.

Der kommissarische SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich forderte erst vor
knapp zwei Wochen, die Bereitstellung von Tornado-Kampfflugzeugen zur
Aufklärung sowie die Luftbetankung von Maschinen der internationalen
Anti-IS-Koalition zum 31. Oktober zu beenden. «Die SPD besteht auf
dieser Verabredung und dem entsprechenden Beschluss des Bundestags.»

Mission Impossible für «AKK» als Inhaberin der Befehls- und
Kommandogewalt (IBuK)? In der Union wird vor allem betont, dass die
Bundeswehr nun «Chefsache» sei und die Streitkräfte «Rückenwind
»
bekommen. «Ich glaube, das ist die beste Besetzung, die man sich
jetzt vorstellen kann», sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer
(CSU) am Mittwoch. «Wir haben jetzt mit der Annegret keine
Verlegenheitslösung.»

Nach Angaben aus Unionskreisen gab es auf den letzten Metern eine
enge Abstimmung zwischen der CDU- und der CSU-Spitze, aber nur im
kleinsten Kreis um Kramp-Karrenbauer, Kanzlerin Angela Merkel und
CSU-Chef Markus Söder. Konkret wurde es demnach erst nach der
Rücktrittsankündigung von der Leyens am Montag. Erst dann zeichnete
sich dem Vernehmen nach ab, dass Kramp-Karrenbauer selbst ins
Verteidigungsministerium wechselt - und beispielsweise Spahn das
Nachsehen hat.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter vermutet hinter der Entscheidung
taktische Motive. «Mein Eindruck ist, dass Frau Kramp-Karrenbauer
ihre Meinung geändert hat, doch ein Ministeramt anzunehmen, weil sie
es als eine ihrer letzten Chancen sieht, doch noch Stärke zu
beweisen, nachdem sie bisher als Vorsitzende eher glücklos agiert
hat», sagte Hofreiter am Mittwoch in München.

Als einer der ersten SPD-Politiker äußerte sich noch am Dienstagabend
der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kars, Sprecher des
konservativen Seeheimer Kreises. «Das hat die Bundeswehr nicht
verdient», schrieb er auf Twitter. Am Mittwoch legte er in dem
Kurznachrichtendienst nach: «Ein Wortbruch ist kein guter Anfang.»