Was steckt hinter dem Schachzug? AKK muss sich bei Truppe bewähren Von Carsten Hoffmann und Jörg Blank, dpa

CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer hat mit einem Wechsel in die
Bundesregierung lange gezögert. Zeitweise hat sie einen
Kabinettsposten unter Angela Merkel sogar ausgeschlossen. Am
Dienstagabend ging dann alles überraschend schnell.

Berlin (dpa) - Beim Blick auf ihre Vorgänger an der Spitze des
Verteidigungsministeriums könnte Annegret Kramp-Karrenbauer ein
mulmiges Gefühl überkommen. Ein Sprungbrett ins Kanzleramt ist das
Verteidigungsministerium nicht gerade. Karl-Theodor zu Guttenberg
(CSU), Thomas de Maizière und Ursula von der Leyen (beide CDU), sie
alle galten als mögliche Nachfolger von Angela Merkel und wurden es
dann doch nicht. Und nur von der Leyen, die am Dienstag als
EU-Kommissionspräsidentin gewählt wurde, hat es danach bis in ein
höchstes Amt geschafft. Öfter aber wurden in der Vergangenheit die
Weichen in Richtung Karriereende gestellt.

Das Ministerium, ein Minenfeld

Das Verteidigungsministerium kann sich zu einem Minenfeld entwickeln
und ist schnell für einen Skandal gut. Das bringt die enorme Zahl von
250 000 Soldaten und Zivilbeschäftigten mit sich, dazu gefährliche
Auslandseinsätze und eine von Lobbyisten flankierte
Rüstungsindustrie. Und dass die Truppe es nicht schätzen wird, sollte
sie nach Skandalen und Skandälchen der vergangenen Monate als Bühne
für politische Ambitionen antreten müssen, scheint absehbar. Aus der
FDP kam schon die Warnung, die «gebeutelte Bundeswehr nicht für
Personalspielchen» zu benutzen.

Wieder sticht AKK Jens Spahn aus

Aber: Wer die Aufgabe meistert, kann auch zu Höherem berufen sein.
Für Kramp-Karrenbauer ist das Amt eine Chance, sicherheitspolitisch
Profil zu gewinnen. Sie geht allerdings ins Risiko, ohne dass sofort
klar war, wie genau es zu der Entscheidung kam. Denn bis zuletzt galt
Gesundheitsminister Jens Spahn als Favorit auf die Nachfolge von der
Leyens. Wie schon beim Rennen um den CDU-Vorsitz rückt aber die
Merkel-Vertraute Kramp-Karrenbauer auf.

Bis zuletzt macht die AKK genannte CDU-Cheifn daraus aber ein
Geheimnis. In den ARD-«Tagesthemen» wurde am späten Abend ein zuvor
geführtes Interview mit der Politikerin ausgestrahlt, in dem sie noch
auf Distanz zu «Spekulationen» über die Besetzung des Postens geht.
«Ich kommentiere keine Meldungen, die irgendwo entstanden sind und
durch die Welt geistern. Ich treffe Entscheidungen zusammen mit der
Regierungschefin, zusammen mit der Regierungspartei», sagt
Kramp-Karrenbauer. Das wirkt schräg angesichts der Tatsache, dass bei
der Ausstrahlung lange bekannt ist, dass sie selbst Ministerin wird.

Große Aufgaben für die neue Ministerin

Aber wie steht es eigentlich um das Verteidigungsressort? Mit der
Kostenexplosion der «Gorch Fock» und der «Berateraffäre» hat das

Ministerium zuletzt Schlagzeilen gemacht. Aufreger in Berlin, aber
sicherheitspolitisch eher «peanuts». Die Herausforderungen für den
neuen Minister sind nach Einschätzung von Militärexperten drei
Punkte: Die Modernisierung und Instandhaltung von Waffensystemen und
Material mit der Neuordnung des lähmenden Beschaffungswesens. Die
Personalgewinnung angesichts zunehmender Konkurrenz um Fachkräfte.
Zudem die Digitalisierung der Armee. Dazu gehören die Vernetzung von
Waffensystemen, die Cyberarmee sowie der technisch und moralisch
herausfordernde Einsatz von Systemen Künstlicher Intelligenz.

Und natürlich das leidige Thema Geld. Deutschland hat sich wie die
anderen Nato-Verbündeten verpflichtet, dass die Verteidigungsausgaben
sich bis 2024 in Richtung 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bewegen
sollen. Für 2020 sind nun allerdings nur 1,37 Prozent der
Wirtschaftsleistung anvisiert, laut Finanzplan soll die Quote bis
2023 sogar auf 1,25 Prozent sinken. Die Spreizung birgt Konfliktstoff
insbesondere im Verhältnis zu den USA. Eigentlich hatte die
Bundesregierung für 2024 ein Ziel von 1,5 Prozent für Verteidigung
ausgegeben.

Was steckt hinter dem Schachzug?

Wie war zuletzt das Verhältnis zwischen Merkel und AKK? Die
Saarländerin war die Wunschnachfolgerin Merkels im Amt der
CDU-Vorsitzenden. Mit dem wenn auch knappen Sieg Kramp-Karrenbauers
gegen ihren wichtigsten Herausforderer Friedrich Merz auf dem
CDU-Parteitag in Hamburg Ende vergangenen Jahres hat Merkel es schon
geschafft, einen Teil ihres Erbes an ihre Wunschkandidatin
weiterzugeben. Das ist bislang so noch keinem CDU-Vorsitzenden
gelungen.

Doch einige Patzer von AKK in ihrem neuen Amt - beispielsweise der
auch intern heftig kritisierte Umgang mit dem CDU-kritischen Video
des Youtubers Rezo oder die starke Absetzbewegung AKKs von der
Migrationspolitik der Kanzlerin dürften Merkel nicht unbedingt
gefallen haben. Gut möglich, dass Kramp-Karrenbauer zunächst auch
unterschätzt hatte, welche Unterschiede es zwischen der erfolgreichen
Arbeit als Ministerpräsidentin im Saarland und dem Haifischbecken der
Berliner Bundespolitik gibt. Doch AKK, so heißt es in der engsten
CDU-Spitze, gilt als durchaus selbstkritisch und durchaus bereit, aus
Fehlern zu lernen.

Trotz des Stirnrunzelns, dass es in den vergangenen Monaten wohl auch
bei Merkel über das Agieren von AKK gegeben hat: In der CDU heißt es,
Kramp-Karrenbauer sei weiterhin auch die Wunschnachfolgerin Merkels
im Kanzleramt. Das gilt wohl auch angesichts der Alternativen: Von
Merz ist bekannt, dass er sich gut vorstellen könnte, bei der
nächsten Bundestagswahl als Kanzlerkandidat anzutreten, falls AKK bis
dahin auch intern weiter an Ansehen verliert.

Was steckt hinter dem Schachzug? Genau weiß das niemand - und es
dürfte wohl auch das Geheimnis der beiden starken Frauen der CDU
bleiben. Zwar dürfte Merkel CDU-intern schon seit längerem klar
gemacht haben, dass Kramp-Karrenbauer an den Kabinettstisch wechseln
könne, wenn sie dies wolle und sich eine Gelegenheit böte. Doch auf
der anderen Seite: Der Kanzlerin und gerade auch AKK wird klar sein,
wieviel Kraft es noch brauchen wird, um die CDU beispielsweise beim
Klimathema inhaltlich und personell wirklich konkurrenzfähig
aufzustellen. Da hätte AKK eigentlich genug zu tun gehabt. Und jetzt
auch noch das Verteidigungsministerium, das grundsätzlich für jeden
Amtsinhaber als Schleudersitz gilt. Dafür dürfte Kramp-Karrenbauer
nun wesentlich weniger Zeit haben, als ursprünglich geplant.

Nicht nur Freude über Kramp-Karrenbauers Schritt

Von erfahrenen CDU-Leuten war am Abend deswegen nicht nur
Begeisterung über den Schritt der Vorsitzenden zu hören. Es bleibe
abzuwarten, ob sich Kramp-Karrenbauer mit dem Wechsel tatsächlich
einen Gefallen getan habe. Denn immerhin unterwerfe sie sich so der
Kabinettsdisziplin der Kanzlerin. Und wer weiß, ob manche Affäre der
Bundeswehr, die AKK nun bewältigen muss, nicht auch ihr Ansehen als
Parteivorsitzende beschädigt.