Kramp-Karrenbauer übernimmt Verteidigungsministerium

Die CDU-Vorsitzende geht nun doch ins Kabinett. Dort ist Angela
Merkel ihre Chefin. Über die Personalie staunt auch mancher
CDU-Politiker. Und sie provoziert umgehend Kritik.

Berlin/Straßburg (dpa) - Die CDU-Vorsitzende Annegret
Kramp-Karrenbauer tritt bereits an diesem Mittwoch ihr neues Amt als
Verteidigungsministerin an. Am Vormittag wird die 56-Jährige im
Bundespräsidialamt in Berlin ihre Ernennungsurkunde erhalten. Kurz
vorher bekommt Vorgängerin Ursula von der Leyen (CDU), die als
EU-Kommissionspräsidentin nach Brüssel wechselt, die
Entlassungsurkunde. Dass Kramp-Karrenbauer das
Verteidigungsministerium übernimmt, kam völlig überraschend. Vor
Bekanntwerden der Personalie war Gesundheitsminister Jens Spahn für
diesen Posten gehandelt worden.

Am Dienstag hatte das Europaparlament von der Leyen mit knapper
Mehrheit zur EU-Kommissionspräsidentin gewählt. Sie erhielt 383
Stimmen - lediglich 9 mehr als erforderlich. Erstmals seit Walter
Hallstein (1958-1967) übernimmt damit wieder ein deutscher Politiker
das einflussreiche Amt - und erstmals überhaupt eine Frau. «In der
Demokratie ist die Mehrheit die Mehrheit», sagte von der Leyen nach
ihrem hauchdünnen Wahlerfolg. Es sei gelungen, eine pro-europäische
Mehrheit zu formieren. Vor zwei Wochen, direkt nach ihrer Nominierung
durch die Staats- und Regierungschefs, hätte sie vermutlich noch
keine Mehrheit gehabt.

Vor ihrer Wahl hatte von der Leyen mit einer engagierten Rede noch
einmal für sich geworben. Sie machte weitreichende Zusagen an die
Abgeordneten für ein klimafreundliches, soziales und geeintes Europa.
Die 60-Jährige wird nun am 1. November die Nachfolge des Luxemburgers
Jean-Claude Juncker antreten.

Von der Leyen wird sich am Mittwochvormittag zunächst im Kabinett
verabschieden und dann ins Schloss Bellevue fahren. In Vertretung von
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier werden die Urkunden an sie
und an Kramp-Karrenbauer vom Ersten Vizepräsidenten des Bundesrates,
Berlins Regierungschef Michael Müller (SPD), überreicht. Der
Präsident des Bundesrates übernimmt bei Abwesenheit des
Bundespräsidenten dessen Amtsgeschäfte. Bundesratspräsident ist
derzeit Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU),
er befindet sich aber gerade auf einer Auslandsreise.

Auch die Amtsübergabe im Bundesverteidigungsministerium soll nach
dpa-Informationen bereits an diesem Mittwoch erfolgen. Der Wechsel
kommt auch deshalb überraschend, weil es immer geheißen hatte,
Kramp-Karrenbauer wolle nicht ins Kabinett von Kanzlerin Angela
Merkel gehen, sondern sich auf die Aufgabe als CDU-Chefin
konzentrieren. Aus CDU-Präsidiumskreisen verlautete, auch in dieser
Runde sei die Entscheidung für viele völlig unerwartet gekommen.
Neben Kramp-Karrenbauers Berufung soll es nach dpa-Informationen
keine weiteren Veränderungen im Bundeskabinett geben.

Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sieht
die Glaubwürdigkeit von Kramp-Karrenbauer als Verteidigungsministerin
vom Start weg beschädigt. «Nachdem sie wochenlang einen
Regierungseintritt ausgeschlossen hat, wird sie nun ausgerechnet
Verteidigungsministerin», kritisierte Strack-Zimmermann in der Nacht
zum Mittwoch. «Kanzlerin und Union zeigen erneut, dass sie die
Belange der Bundeswehr nicht im Geringsten interessieren. Sonst
würden sie die gebeutelte Bundeswehr nicht für Personalspielchen
missbrauchen.»

FDP-Vizefraktionschef Alexander Graf Lambsdorff nannte die
Entscheidung für die CDU-Vorsitzende «eine Zumutung für die Truppe
und für unsere Nato-Partner.» Nichts könne Merkels Geringschätzung

der Bundeswehr klarer ausdrücken als diese Personalie. «Annegret
Kramp-Karrenbauer hat keinerlei außen-, sicherheits- oder
verteidigungspolitische Erfahrungen. Respekt vor der Bundeswehr und
Glaubwürdigkeit sehen anders aus.»

Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag,
Andreas Jung, sagte der «Augsburger Allgemeinen» (Mittwoch): «Das ist

eine mutige Entscheidung.» Er traue Kramp-Karrenbauer das Amt zu.

Der Grünen-Sicherheitspolitiker Tobias Lindner sagte der «Passauer
Neuen Presse» (Mittwoch), die neue Führung im Verteidigungsressort
müsse «unbedingt das angeknackste Verhältnis zur Truppe reparieren»
.
Wichtig sei es, dass «Pläne nicht nur verkündet, sondern auch
umgesetzt werden».