Volles Risiko: Kramp-Karrenbauer übernimmt Bundeswehr Von Carsten Hoffmann, Jörg Blank und Ulrich Steinkohl, dpa

Schleudersitz oder Sprungbrett auf den Stuhl der Kanzlerin? Das sind
die absoluten Gegenpole des neuen Amtes von Annegret
Kramp-Karrenbauer. Der CDU-Chefin tritt ins Kabinett ein und geht
voll ins Risiko.

Berlin (dpa) - Saarländische Ministerpräsidentin, CDU-Chefin - und
nun also Verteidigungsministerin. Annegret Kramp-Karrenbauer, die
politische Vertraute von Kanzlerin Angela Merkel, tritt damit eines
der wohl schwierigsten Ämter in der deutschen Politik an. Das
Verteidigungsministerium kann sich schnell zu einem Minenfeld
entwickeln und ist oft für einen Skandal gut. Aber: Wer die Aufgabe
meistert, kann auch zu Höherem berufen sein. Für Kramp-Karrenbauer
ist das Amt eine Chance, sicherheitspolitisch Profil zu gewinnen.
Dabei galt bis zuletzt Gesundheitsminister Jens Spahn als Favorit auf
die Nachfolge von Ursula von der Leyen, die am Dienstagabend als
EU-Kommissionspräsidentin bestätigt wurde.

Wie steht es um das Verteidigungsressort? Mit Schlagzeilen über die
Kostenexplosion der «Gorch Fock» und der «Berateraffäre» hat das

Ministerium zuletzt Schlagzeilen gemacht. Aufreger in Berlin, aber
sicherheitspolitisch eher «peanuts». Die eigentlichen
Herausforderungen für den neuen Minister sind nach Einschätzung von
Militärexperten drei Punkte: Die Modernisierung und Instandhaltung
von Waffensystemen und Material mit der Neuordnung des lähmenden
Beschaffungswesens. Die Personalgewinnung angesichts zunehmender
Konkurrenz um Fachkräfte. Zudem die Digitalisierung der Armee. Dazu
gehören die Vernetzung von Waffensystemen, die Cyberarmee sowie der
technisch und moralisch herausfordernde Einsatz von Systemen
Künstlicher Intelligenz.

Und natürlich das leidige Thema Geld. Deutschland hat sich wie die
anderen Nato-Verbündeten verpflichtet, dass die Verteidigungsausgaben
sich bis 2024 in Richtung 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bewegen
sollen. Für 2020 sind nun allerdings nur 1,37 Prozent der
Wirtschaftsleistung anvisiert, laut Finanzplan soll die Quote bis
2023 sogar auf 1,25 Prozent sinken. Die Spreizung birgt Konfliktstoff
insbesondere im Verhältnis zu den USA. Eigentlich hatte die
Bundesregierung für 2024 ein Ziel von 1,5 Prozent für Verteidigung
ausgegeben.

Ein höherer Verteidigungsetat ist wichtig, um die zahlreiche Projekte
mit Geld versorgen zu können, er ist aber auch Voraussetzung dafür,
einen Hauptstreitpunkt mit der US-Regierung von Donald Trump
beizulegen. Es geht um den Vorwurf, Deutschland trage keine
angemessen Last im Bündnis und lasse damit die USA für seine
militärische Sicherheit zahlen.

In Zeiten, in denen die Steuerquellen nicht mehr so kräftig sprudeln
wie in den vergangenen Jahren ist die Erhöhung des Verteidigungsetats
ein schwieriges Unterfangen. In der Koalition könnte dies schnell zum
Konfliktfall mit der SPD und ihrem Kassenwart Olaf Scholz führen, die
sich gegen deutliche Steigerungen des Wehretats sträuben.

Ihre politische Karriere begann Kramp-Karrenbauer im Stadtrat ihres
Heimatortes Püttlingen. Und immer, wenn sie gerufen wurde, machte sie
ihre Sache so gut, dass irgendwann unvermeidlich der nächste Ruf kam.
«Es gibt keine Aufgabe, die man Annegret nicht anvertrauen kann», hat
schon der frühere Saar-Regierungschef Peter Müller (CDU) gesagt, als
er Kramp-Karrenbauer 2000 als Innenministerin in sein Kabinett
berief.

Seitdem hat sie sich als Allzweckwaffe der CDU einen Namen gemacht:
Nach verschiedenen Ministerjobs wurde sie 2011 erste
Ministerpräsidentin des kleinsten Flächenstaates. Im März 2017 gewann

sie auf dem Zenit der Beliebtheit von SPD-Kanzlerkandidat Martin
Schulz die Landtagswahl im Saarland haushoch für die CDU.

Seit Jahren arbeiten Merkel und Kramp-Karrenbauer, die wegen ihres
nüchtern-analytischen Politikstils miteinander verglichen werden, eng
zusammen. «Unaufgeregt» und «uneitel» gehören zu den Attributen
Kramp-Karrenbauers. «Viele glückliche Zufälle haben mir dabei
geholfen», sagt die Mutter von drei erwachsenen Kindern. Eigentlich
wollte sie vor dem Abi Hebamme werden, danach dachte sie an einen
Beruf als Lehrerin. Mit 18 trat sie in die CDU ein - und entdeckte
ihre Leidenschaft für Politik. Später studierte sie Jura und Politik.

Trotzdem: Dass sie Verteidigungsministerin werden soll, ist - trotz
einiger Spekulationen in den vergangenen Wochen - eine handfeste
Überraschung. Man kann es einen politischen Paukenschlag nennen, den
auch viele Verteidigungspolitiker in Berlin so nicht auf dem Zettel
hatten. Und Kramp-Karrenbauer geht damit voll ins Risiko. Sie hat
eigentlich genug mit der Neuaufstellung der Partei zu tun. In
CDU-Parteikreisen hieß es, CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, der sich
bisher bei dieser Aufgabe im Hintergrund gehalten hat, müsse nun mehr
Verantwortung übernehmen.

Merkel hatte intern schon länger klar gemacht, dass sie
Kramp-Karrenbauer ins Kabinett holen werde, wenn diese das wolle. Es
war auch zuletzt spekuliert worden, ob es einen Ressorttausch geben
könne zwischen CDU und CSU - das Verteidigungsministerium gegen das
Bundesinnenministerium. Doch dafür hätte CSU-Minister Horst Seehofer
seinen Platz räumen müssen - der das ganz offensichtlich nicht will.