Ausschuss entsetzt über Missbrauchsvorwürfe an Uniklinik Von Katja Sponholz, dpa

Wer hat wann was gewusst? Diese Frage beschäftigte saarländische
Landespolitiker, als es in einer Sondersitzung um die
Missbrauchsvorwürfe an der Uni-Klinik ging. Nun soll ein unabhängiger
Ermittler alle Verdachtsfälle untersuchen.

Saarbrücken (dpa/lrs) - Bestürzt haben Politiker im Sozialausschuss
am Dienstag auf Informationen zu den Missbrauchsvorwürfen am
Uniklinikum des Saarlandes (UKS) reagiert. «Es hat sich
herausgestellt, dass selbst als sich alle Verdachtsmomente erhärtet
hatten, Ende 2014, nichts, aber auch gar nichts geschehen ist», sagte
Petra Berg, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, nach der mehr
als sechsstündigen Sitzung. Dies habe den Ausschuss «in Gänze
entsetzt». Berg: «Wir sind an der Stelle fassungslos, was dort an
nicht aufgedeckten Sachverhalten gelaufen ist.»

Ende Juni war bekannt geworden, dass ein inzwischen gestorbener
Assistenzarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie am UKS in Homburg von
2010 bis 2014 mehrere Kinder sexuell missbraucht haben soll. Er soll
«nicht medizinisch notwendige Untersuchungen» im intimen Bereich
vorgenommen haben. Die Eltern der meist fünf bis acht Jahre alten
Kinder wurden bis vor kurzem nicht informiert. Die Staatsanwaltschaft
ermittelte wegen der Behandlung von 34 Patienten. Nach dem Tod des
Arztes 2016 wurden die Ermittlungen eingestellt. Gegen den Leiter der
Klinik, der derzeit beurlaubt ist, läuft ein Disziplinarverfahren.

«Es gab frühe Hinweise auf pädophiles Verhalten, denen nicht
nachgegangen wurde», kritisierte CDU-Fraktionschef Alexander Funk am
Rande der nicht-öffentlichen Sitzung auf Nachfrage der Deutschen
Presse-Agentur. «Es gab keine Kontrollmechanismen, und die
gesetzliche Verpflichtung, die Behörden, die Ministerien und auch den
Aufsichtsrat zu informieren, wurde nicht befolgt.» Die CDU-Fraktion
begrüße die Ankündigung vom Chef der Staatskanzlei, Jürgen Lennartz
,
einen unabhängigen Ermittler der Rechtsaufsicht einzusetzen, der
jeden einzelnen Verdachtsmoment sowie die Vorgänge und Abläufe beim
UKS untersuchen werde.

«Nicht nachvollziehbar und absolut inakzeptabel» sei es von Seiten
der damaligen UKS-Leitung gewesen, die Eltern nicht über die Vorfälle
zu informieren. «Damit entstand leider der Verdacht, dass es dem UKS
nicht um das Kindeswohl, sondern zur Vermeidung von
Schadenersatzansprüchen und Rufschädigung ging», so Funk.

Laut Wolfgang Reith, Ärztlicher Direktor des UKS, wurden inzwischen
314 Betroffene, die damals Patienten des Arztes waren, angeschrieben.
Bislang seien 44 Anrufe erfolgt, 29 Termine vereinbart und 21
Gespräche geführt worden. Reith sprach von einem «positiven
Ergebnis». Die Eltern seien sehr aufgeschlossen, dass sie informiert
würden und Akteneinsicht erhielten. «Die Rückmeldung von den meisten

war eigentlich sehr positiv», sagte er am Rande der Sitzung.

Reith bestätigte, dass Andreas Goldschmidt, der als externer
Sachverständiger Medizinwissenschaft im UKS-Aufsichtsrat war, sein
Amt in diesem Gremium niedergelegt habe. Laut Petra Berg hatte er
sich nicht ausreichend informiert gefühlt. Zuvor hatten Medien
darüber berichtet.

Mehr als zweieinhalb Stunden hatte am Dienstag die Befragung von
Vertretern des UKS gedauert. Zunächst war auch ein Bericht von
Vertretern des Westpfalz-Klinikums Kaiserslautern geplant gewesen, wo
der Beschuldigte von April 2014 bis 2016 gearbeitet hatte. Nach
Rücksprache mit den Gesellschaftervertretern habe sich das Klinikum
jedoch dagegen entschieden, sagte ein Sprecher. Zum einen könne es
«wegen des eindeutigen Ergebnisses der Taskforce keinerlei
inhaltliche Beiträge oder neue Erkenntnisse liefern», teilte ein
Sprecher mit. Zum anderen sei die gewünschte «Abgabe eines Berichts»

an das Gesundheitsministerium in Mainz bereits erfolgt.

Als «Vertuschung» seitens der damaligen UKS-Leitung bezeichnete Petra
Berg nach der Sitzung, dass der neue Arbeitgeber, das
Westpfalz-Klinikum, seinerzeit nicht über die Vorfälle informiert
wordensei. «Dadurch hat man den Kinderschutz mit Füßen getreten.»

Opferanwältin Claudia Willger kritisierte im Gespräch mit der
Deutschen Presse-Agentur, dass Fachaufsicht und Rechtsaufsicht der
Klinik nicht funktioniert, die Ärztekammer «versagt» und die
Staatsanwaltschaft «schlecht und langsam ermittelt» habe. «Wenn hier

von Seiten der Staatsanwaltschaft das gemacht worden wäre, was nötig
geworden wäre, hätte sie so viel Leid verhindern können.»

Einige der Betroffenen, mit denen sie bisher gesprochen habe, seien
bis heute traumatisiert und hätten Schädigungen davongetragen. Sie
hätten kein Interesse daran, nun «durch ein Verfahren gedreht» zu
werden, dass ihnen nichts bringe. Wichtig für die Betroffen wäre es
nach Ansicht der Anwältin jedoch, dass es eine deutliche
Dokumentation über die bisherigen Patientenakten hinaus gebe, «damit
sie dann, wenn sie Hilfe brauchen, einen klaren Weg aufgezeigt
bekommen». Außerdem müssten dringend Schutzkonzepte in der Klinik
umgesetzt werden.