Tagesbefehl Rücktritt - Von der Leyen setzt alles auf eine Karte Von Carsten Hoffmann, dpa

Vor der Entscheidung über ihre Zukunft an der Spitze der
EU-Kommission macht von der Leyen eine klare Ansage. Wahlsieg im
EU-Parlament oder Niederlage - sie wird als Verteidigungsministerin
zurücktreten. Ihre Botschaft an die Soldaten: «Bleiben Sie behütet!
»

Berlin (dpa) - Im Ringen um das Amt als künftige Präsidentin der
EU-Kommission setzt Ursula von der Leyen ganz auf eine politische
Zukunft in Brüssel. Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr
erfuhren es am Montag mit als Erste, als die Verteidigungsministerin
in einem sogenannten Tagesbefehl zu dienstlichen Angelegenheiten der
Streitkräfte ihre Rücktritt ankündigte.

«Ich möchte Sie vor der morgigen Abstimmung im Europaparlament
darüber informieren, dass ich mein Amt als Verteidigungsministerin am
Mittwoch zur Verfügung stellen werde», schrieb die CDU-Politikerin an
die Angehörigen der Streitkräfte. «Die Bundeskanzlerin ist über
diesen Schritt informiert und wird die notwendigen Schritte für einen
verantwortungsvollen Übergang im Sinne der Bundeswehr und der
Sicherheit Deutschlands einleiten», heißt es in dem Schreiben, das
der Deutschen Presse-Agentur vorlag.

Das Amt als Verteidigungsministerin habe sie als politisch
forderndste Aufgabe empfunden. «Es bedeutet Verantwortung für die
Sicherheit und Freiheit Deutschlands und seiner Verbündeten», so die
Ministerin. Und es bedeute die Verantwortung für Auslandseinsätze, in
denen die Bundeswehr auf drei Kontinenten und zwei Weltmeeren Tag und
Nacht Herausragendes leiste.

Wer wird ihre Aufgabe übernehmen? Eine Antwort auf diese Frage, über
die letztlich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) entscheidet, gab es am
Montag zunächst nicht. Niedersachsens CDU-Chef Bernd Althusmann
meldete aber in der «Rheinischen Post» fast zeitgleich mit der
Erklärung von der Leyens Ansprüche seines Landesverbandes für das
Bundeskabinett an. «Die Frage der Nachfolge wird in den
darauffolgenden Tagen geklärt», sagte er, und zeigte sich überzeugt,

dass von der Leyen an diesem Dienstag in Straßburg gewählt wird. «Sie

ist strategisch klug, erfahren und bringt alles mit, was man in
politisch schwierigen Zeiten braucht.»

Allerdings schien ungewiss, ob von der Leyen die nötige Mehrheit im
Europaparlament bekommt. Zu den schärfsten Kritikern der Politikerin
gehören die deutschen Sozialdemokraten. Von der Leyens Nominierung
habe dem Willen des Parlaments widersprochen, nur einen
Spitzenkandidaten zur Europawahl zum Kommissionschef zu machen.

Dass mit von der Leyen erstmals seit mehr als 60 Jahren wieder jemand
aus Deutschland das mächtige Brüsseler Amt bekommen könnte, das in
etwa einem Regierungschef entspricht, zieht in dieser Logik nicht als
Argument. Union und SPD bekräftigten in den vergangenen Tagen, dass
der Streit um von der Leyen nicht zur Gefahr für die große Koalition
werden dürfe. Allerdings: Die Anschuldigungen waren teils heftig, und
falls von der Leyen nur knapp und dann wegen der Haltung der
deutschen Sozialdemokratie scheitern sollte, ist eine schwere
Belastung für das Regierungsbündnis absehbar.

In Berlin sind mehrere Politiker als Nachfolger von der Leyens im
Gespräch, darunter Gesundheitsminister Jens Spahn sowie
Ex-CDU-Generalsekretär und Verteidigungsstaatssekretär Peter Tauber.
Genannt werden auch die Verteidigungsexperten Johann Wadephul und
Henning Otte, der Niedersachse ist.

Möglich schien allerdings auch, dass ein Karussell in Gang gesetzt
wird, denn es muss eine Frau nachrücken. In einem solchen Fall könnte
Integrationsbeauftragte Annette Widmann-Mauz (CDU)
Gesundheitsministerin werden und womöglich die CDU-Politikerin und
Parlamentarische Staatssekretärin Maria Flachsbarth neue
Integrationsbeauftragte.

Kanzlerin Merkel sah in der Ankündigung von der Leyens am Montag ein
starkes Signal für deren Kandidatur. «Trotz etlicher Rückschläge
haben wir gemeinsam im Ministerium, in den Kommandos, Ämtern und in
der Truppe wichtige Reformen auf den Weg gebracht», schrieb die
Ministerin an die Soldaten - praktisch schon ein Abschiedsbrief:
«Bleiben Sie behütet!»