Gesundheitsreport: Mehr neue Syphilis- als HIV-Fälle in Europa

Lange konnte die Syphilis zurückgedrängt werden, doch seit einigen
Jahren mehren sich die Infektionen mit der Geschlechtskrankheit.
Experten melden nun eine für Europa gemessene Rekordzahl von über
33 000 bestätigten Infektionen. Wie schneidet Deutschland ab?

Stockholm (dpa) - Die Zahl der bestätigten Syphilis-Fälle in Europa
hat sich in den vergangenen Jahren stark erhöht. Männer im Alter von
25 bis 34 Jahren infizierten sich im Verhältnis zu Frauen und anderen
Altersgruppen besonders häufig mit der sexuell übertragbaren
Krankheit, wie aus einem am Freitag veröffentlichten Bericht des
Europäischen Zentrums für Krankheitsprävention und -kontrolle (ECDC)

hervorgeht. Dies gelte vor allem für Männer, die Sex mit anderen
Männern hätten und in städtischen Gebieten lebten.

Für den Bericht hat das ECDC die Entwicklung der Syphilis von 2007
bis 2017 in 30 Staaten analysiert - in der EU, Norwegen und Island.
Die Zahl der pro Jahr bestätigten Fälle stieg demnach seit 2010 um
knapp 70 Prozent auf einen Rekordwert von 33 189. 2016 waren es
29 944 bestätigte Infektionen gewesen.

Dies bedeute, dass es erstmals seit Anfang der 2000er Jahre mehr
bestätigte Syphilis- als HIV-Fälle in Europa gebe, erklärte das in
Stockholm ansässige Zentrum. 2017 wurde nach ECDC-Angaben bei 25 353

Menschen HIV diagnostiziert, nach mehr als 31 000 Fällen im Jahr
zuvor.

«Die Zuwächse bei den Syphilis-Infektionen, die wir in Europa sowie
in anderen Ländern in aller Welt sehen, sind ein Ergebnis mehrerer
Faktoren wie Sex ohne Kondom und mit mehreren Sexualpartnern,
kombiniert mit einer geringeren Angst, HIV zu bekommen», stellte der
Leiter des ECDC-Programms für HIV- und Geschlechtskrankheiten, Andrew
Amato-Gauci, fest. Während des Zeitraums 2007 bis 2017 erfasste das
ECDC insgesamt 260 505 bestätigte Syphilis-Fälle.

In Deutschland gab es von 2007 bis 2017 eine starke Zunahme der
Erkrankungen von 4 auf 9,1 Fälle pro 100 000 Bundesbürger, verglichen

mit einer gesamteuropäischen Rate von 7,1 pro 100 000. Das entspricht
7473 Infektionen im Bundesgebiet. Damit zählte Deutschland neben
Island, Irland, Großbritannien und Malta zu den fünf Ländern, in
denen sich die Rate seit 2010 mehr als verdoppelt hat. Estland und
Rumänien dagegen meldeten einen deutlichen Rückgang.

Bereits Ende 2018 hatte das Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin
gemeldet, dass sich der Anstieg bei der Zahl der Syphilis-Infektionen
in Deutschland fortsetze. Insbesondere in Berlin und Hamburg
erkrankten laut einem RKI-Bericht im Verhältnis zur Einwohnerzahl
überdurchschnittlich viele Menschen.

Die Deutsche Aidshilfe sieht als einen Grund für den Anstieg der
registrierten Fälle in Deutschland die zurückgehende Nutzung von
Kondomen, was unter anderem wegen der besseren HIV-Therapie geschehe.
Ein weiterer Grund sei vermutlich ein verbessertes Testverhalten. So
seien schwule und bisexuelle Männer verstärkt zu regelmäßigen
Syphilis-Tests aufgerufen worden.

Vor allem in den 1980er Jahren war die bakterielle Infektion mit der
Ausbreitung von HIV/Aids und Safer Sex zurückgedrängt worden. Seit
Jahren geht der Trend nun wieder in die umgekehrte Richtung. Oftmals
verläuft Syphilis ohne Symptome. In anderen Fällen tritt meist wenige
Tage oder Wochen nach der Ansteckung ein Geschwür zum Beispiel am
Penis auf, das keine Schmerzen verursacht. Wird die Krankheit nicht
mit Antibiotika behandelt, können weitere Anzeichen wie Fieber,
Müdigkeit, Kopf-, Gelenk- oder Muskelschmerzen und geschwollenen
Lymphknoten folgen. Jahre nach der Infektion sind Schädigungen des
Gehirns und der Blutgefäße möglich.