Kein schräger Vogel: Imitator beherrscht 200 Tierstimmen Von Christina Sticht, dpa

Pfeifen, Tschilpen, Tirilieren: Uwe Westphal aus Seevetal bei Hamburg
kann Dutzende Vogelgeräusche von der Meise bis zur Möwe perfekt
nachahmen. Nur ein skurriles Hobby? Nein!

Seevetal (dpa) - Er tschilpt wie ein Spatz, zwitschert wie eine
Schwalbe und tiriliert wie eine Feldlerche: Uwe Westphal hat das
Nachahmen von Vogellauten perfektioniert. Wer bei seinen Auftritten
die Augen schließt, denkt, er sitze im Garten oder gehe am Waldrand
spazieren. Rund 130 Vogelstimmen beherrscht der 61-Jährige aus
Seevetal in der Nähe von Hamburg, hinzu kommen etwa 70 weitere Tiere
vom Frosch bis zum Schimpansen. Schon als Kind habe er begonnen, sich
mit Katzen, Schweinen und Hühnern auf dem Hof seiner Großeltern zu
unterhalten, erzählt der promovierte Biologe mit leiser Stimme. «Erst
mal war es zweckfrei, jetzt geht es darum, Menschen zu begeistern.»

Privat sei er schüchtern, aber bei seinen Vorträgen eine «Rampensau
»,
verrät der kleine Mann mit Stirnglatze, Brille und Bart. Bei einem
Auftritt in Laatzen bei Hannover kommt Westphal von den Heuschrecken
zu den Grillen, Fröschen, Erdkröten, Heckenbraunellen, Buchfinken,
Goldammern, Dompfaffen, Igeln, Feldlerchen, Rauchschwalben,
Mehlschwalben und Mauerseglern. Neben dem Hörerlebnis vermittelt er
Tipps für die Vogelfütterung im Garten, Fakten zum Insektensterben
und jede Menge verblüffende Anekdoten.

Zunächst arbeitete er für Naturschutzverbände und schrieb für diver
se
Zeitschriften. Seine TV-Karriere startete mit einem Auftritt in einer
Talkshow von Frank Elstner, auch bei Stefan Raab war der Vogelfreund
mit dem trockenen Humor häufiger zu Gast. Im September wird er bei
«Planet Wissen» im WDR als Experte zu sehen sein. «Beim Fernsehen
gibt es immer Sonderwünsche. Da habe ich mich auch schon in einen
Baum gesetzt oder vorher den Tasmanischen Teufel eingeübt», erzählt
Westphal. Das Raubtier knurre, fauche und schreie furchteinflößend.

Seine Stimme nutzt er als Instrument: Er flötet, pfeift durch die
Zähne, trillert mit Zunge und Gaumenzäpfchen. «Es ist ein Traumjob»
,
meint der 61-Jährige. Die Zuhörer meldeten zurück, dass er ihnen eine

Auszeit vom Alltag beschere. Bei Senioren weckt er oft Erinnerungen.
Wissen vermitteln will er bei seinen Führungen im Hamburger Umland
oder im Biosphärenreservat Schaalsee in Mecklenburg-Vorpommern.

«Die Artenkenntnis geht in allen Bevölkerungsschichten zurück», sag
t
Marius Adrion, Referent für Vogelschutz beim Naturschutzbund (Nabu)
Deutschland. Westphal sei es hoch anzurechnen, dass er auf lustige
Weise Aufmerksamkeit für Vogelkunde und Vogelstimmen erzeuge. «Man
möchte nur das schützen, was man kennt und liebgewinnt», erklärt
Adrion.

Früher gab es im Rhythmus des Vogelgesangs gesprochene Merkverse
sowie unzählige Verben, um ihn zu beschreiben. «Die Nachtigall
schlägt und schluchzt, der Rotschenkel jodelt, der Kleiber lacht, die
Silbermöwe jauchzt», zählt Westphal auf. Die melodiösen Gesänge h
aben
im Frühjahr die Funktion, das eigene Revier anzuzeigen und Weibchen
anzulocken. Rufe etwa zum Warnen sind ganzjährig zu hören.

Seine Sommerpause will der Imitator nutzen, um sein neuntes Buch
vorzubereiten. Mitte August starten wieder Vogelstimmen-Performances
und Naturführungen. Muss er in der auftrittsfreien Zeit seine Stimme
trainieren wie ein Opernsänger? «Ich nehme mir selten gezielt eine
Art vor», sagt er. «Die Pfeiftechniken übe ich allerdings ständig
nebenbei - zum Beispiel trillere ich im Auto oder im Badezimmer
unterschiedlichste Melodien, gern auch mal Weihnachtslieder - selbst
im Hochsommer.»