Pilotprojekt sieht große Chancen in der Telemedizin

In ländlichen Regionen ist die medizinische Versorgung mitunter
schwer - besonders in Randzeiten. Manche sehen die Lösung des
Problems in der Telemedizin.

Delmenhorst (dpa/lni) - Telemedizin sollte im hausärztlichen
Notdienst künftig eine feste Rolle spielen. Dieses Fazit haben am
Freitag die Verantwortlichen eines Modellprojektes in Delmenhorst,
Ganderkesee und Lemwerder gezogen. Seit einem Jahr wird in den drei
Orten der kassenärztliche Bereitschaftsdienst am Wochenende von
Gesundheitsfachkräften wie Notfallsanitätern übernommen, die bei
Bedarf per Ferndiagnose von einer Ärztin oder einem Arzt unterstützt
werden. Das Projekt sei ein Erfolg, sagte der ärztliche Leiter der
Telemedizin am Klinikum Oldenburg, Daniel Overheu.

«Hier geht es um eine Zukunftsentwicklung», sagte Helmut Scherbeitz
von der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN). In Zeiten
des Hausarztmangels gerade in ländlichen Gebieten könne diese
Arbeitsweise die medizinische Versorgung sicherstellen. Das Projekt
läuft Ende des Jahres aus.

Von August 2018 bis Ende Juni haben die Gesundheitsfachkräfte rund
270 Einsätze übernommen, nachdem Patienten im Projektgebiet
freitagabends oder am Wochenende die Nummer des ärztlichen
Bereitschaftsdienstes 116 117 wählten. Hatte keine Praxis geöffnet,
fuhr ein Notfallsanitäter mit Ausrüstung los. In 42 Prozent der Fälle

konnte die Fachkraft allein helfen, in 58 Prozent wurde per
Telemedizin ein Arzt oder eine Ärztin zugeschaltet.

Daten etwa von einem EKG, bei der die elektrische Aktivität des
Herzens gemessen wird, können auf den Bildschirm des Telemediziners
in Oldenburg übertragen werden. «Der Arzt kann entscheiden, was zu
tun ist», sagte der Beauftragte des Projekts der
Johanniter-Unfall-Hilfe, Klaus-Dieter Berner. Überrascht war er von
der Reaktion der Patienten. «Es ist ihnen tatsächlich egal, ob ein
Arzt kommt oder nicht, Hauptsache es wird ihnen geholfen.»

Nach Angaben der Projektbeteiligten war die Resonanz durchweg positiv
- auch von den Ärzten. Die neue Arbeitsweise helfe, ärztliche
Arbeitszeit einzusparen. «Für Hausärzte ist es eine große Belastung
,
wenn sie in der Nacht im Dienst sind und am Morgen wieder in der
Praxis.» Zudem werde es zunehmend schwierig, in ländlichen Gebieten
Hausärzte zu finden.

«Die Medizin wird zunehmend weiblich», sagte Christoph Titz,
Vorsitzender der Vertreterversammlung der KVN. «Man kann von den
Ärztinnen kaum erwarten, dass sie nachts alleine durchs Land fahren.»
Daher brauche es neue Wege, um die Versorgung sicherzustellen.

Für die Patienten bietet das Modell aus Sicht der Projektbeteiligten
Vorteile. «Hier kann zum allerersten Mal Facharzt-Expertise in die
Häuslichkeit gebracht werden», sagte Overheu. Über die Telemedizin
seien die entsprechenden Fachärzte des Oldenburger Klinikums
erreichbar. «Es muss nicht mehr der fachfremde Doktor nachts
Entscheidungen treffen.» Zudem seien viele Patienten überrascht, wie
schnell Hilfe kommt. «Allerspätestens nach zwei Stunden muss jemand
da sein. Die Erfahrung zeigt, dass wir unter einer Stunde da sind»,
berichtete Berner.

Die Verantwortlichen hoffen, dass das Modell bestehen bleibt. Das
Projekt wird über Fördermittel und Beiträge der beteiligten
Organisationen bezahlt. Die Krankenkassen sind bislang nicht
finanziell dabei. Um eine Zukunft sicherzustellen, müssten sie
einsteigen, hieß es. «Es wäre sehr schlecht, wenn wir aufhören
müssten», sagte Overheu.

In der Notfallversorgung geht Niedersachsen zunehmend neue Wege. So
sind seit Jahresanfang Gemeindenotfallsanitäter im Einsatz. Das
bundesweit einmalige Modell wird in der Stadt Oldenburg sowie den
Landkreisen Ammerland, Cloppenburg und Vechta erprobt. Pro Standort
sind sechs Notfallsanitäter mit einer Zusatzausbildung unterwegs. Sie
werden von der Rettungsleitstelle zu Patienten geschickt, wenn nach
dem Notruf 112 klar ist, dass zwar keine Lebensgefahr vorliegt, aber
medizinische Hilfe notwendig ist. Finanziert wird das Projekt von den
Krankenkassen. Angesichts der steigenden Einsatzzahlen der
Rettungsdienste ist ein Ziel, Kosten zu sparen. Die
Gemeindenotfallsanitäter dürfen allein und in kleineren
Einsatzfahrzeugen zu Patienten fahren.