Deutschland sucht das Nährwert-Logo Von Sascha Meyer, dpa

Gesündere Ernährung soll einfacher werden - auch mit neuen Aufdrucken
auf der Vorderseite von Lebensmittelpackungen. Doch wie genau soll so
eine Kennzeichnung aussehen? Das Rennen ist eröffnet, Ausgang offen.

Berlin (dpa) - Was würde Ihnen am Supermarktregal am meisten helfen?
Da wäre ein farbiges Logo mit Buchstaben von A bis E. Ein grün-weißes

Siegel mit einem Schlüsselloch. Ein Aufdruck mit fünf Kreisen. Oder
doch lieber einer mit blaugrün gefärbten Waben? Vier Modelle stehen
zur Auswahl, wenn es jetzt über den Sommer um die Suche nach einer
klareren Kennzeichnung für Zucker, Fett und Salz in Fertigprodukten
geht. Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) startet dafür

eine Verbraucherbefragung, die auch den jahrelangen Streit um ein
Nährwert-Logo klären soll. Im Herbst dürfte die Entscheidung fallen.


Trotz der unterschiedlichen Modelle ist das Ziel klar: Es geht um
gesündere Ernährung und weniger Übergewicht nicht nur bei Kindern.
Doch wie leicht können Supermarktkunden erkennen, welche Joghurts,
Müslis oder Tiefkühlpizzen potenzielle «Dickmacher» sind? Pflicht
sind auf dem europäischen Markt bisher schon Nährwerttabellen mit
Angaben auch zur Kalorienzahl. Sie stehen aber meist klein gedruckt
auf der Rückseite oder noch versteckteren Stellen der Packung. Eine
Kennzeichnung, mit der man Produkte auf einen Blick vergleichen kann,
sei daher ein Muss, argumentiert der Präsident des bundeseigenen
Max-Rubner-Instituts für Ernährungsforschung (MRI), Pablo Steinberg.

Verbraucherschützer fordern dafür seit Jahren farbliche Logos auf der
Vorderseite der Packungen. Lange drehte sich der Streit um eine aus
Großbritannien stammende Ampel mit mehreren separaten Symbolen in
rot, gelb oder grün für Zucker, Fett und Salz. Ebenso lange wehrte
die Lebensmittelbranche das aber scharf ab. Nun sind beide Seiten im
Boot, wenn es um die engere Auswahl eines künftigen Nährwert-Logos
geht. «So weit waren wir noch nie», sagt Klöckner. Das dürfte auch

damit zusammenhängen, dass die Favoriten beider Lager im Rennen sind.

Im Juli und August sollen die Modelle erst in Gruppenbefragungen und
dann in einer großen Umfrage mit mindestens 1000 Teilnehmern auf
Verständlichkeit und Akzeptanz hin getestet werden. Das Ergebnis wird
für September erwartet - und soll laut Klöckner auch maßgeblich daf
ür
sein, welches Modell die Bundesregierung zur freiwilligen Nutzung auf
Packungen empfiehlt. Konkret geht es um diese vier Kennzeichnungen:

NUTRI-SCORE: Für das in Frankreich eingeführte System trommeln
Verbraucherschützer und die SPD. Es bezieht neben dem Gehalt an
Zucker, Fett und Salz empfehlenswerte Bestandteile wie Ballaststoffe
oder Proteine in eine Bewertung ein und gibt dann einen einzigen Wert
an - in einer fünfstufigen Skala von «A» auf dunkelgrünem Feld fü
r
die günstigste Bilanz über ein gelbes «C» bis zu einem roten «E
» für
die ungünstigste. Das zutreffende Feld wird hervorgehoben. Erste
Produkte damit sind schon in deutschen Supermärkten zu kaufen.

KEYHOLE: In Skandinavien genutzt wird ein Logo, das die schwedische
Lebensmittelbehörde vor 30 Jahren entwickelte. Es zeigt ein weißes
Schlüsselloch auf grünem oder schwarzem Grund und ist eine reine
Positivkennzeichnung - ausgewiesen werden also nur Produkte mit
günstiger Nährwertbewertung. Desserts oder Süßigkeiten kommen daher

gar nicht in Frage, wie das MRI in einer Untersuchung erläuterte.

WIRTSCHAFTS-MODELL: Nur im Computer existiert ein Modell, das der
Spitzenverband der Lebensmittelwirtschaft BLL vorlegte. Es hat fünf
Kreise, in denen die Kalorien sowie der Gehalt an Fett, gesättigten
Fettsäuren, Zucker und Salz pro 100 Gramm stehen. Ähnlich wie bei
einer Tortengrafik zeigt eine hervorgehobene Fläche in jedem Kreis
an, wie viel Prozent der täglichen Zufuhr der Verzehr von 100 Gramm
bedeutet - je mehr, desto größer die Fläche. Basis ist eine EU-weit
festgelegte Referenzmenge von insgesamt 2000 Kalorien pro Tag für
einen durchschnittlichen Erwachsenen. Diese farbliche Fläche soll im
Kreis zur Kalorienzahl hellblau sein, in den anderen Kreisen lila.

FORSCHER-MODELL: Auf Bitten des Ministeriums hat auch das MRI ein
System entwickelt. Es zeigt Salz, Zucker und Fett pro 100 Gramm in
separaten Waben an, die bei niedrigem Gehalt jeweils blaugrün gefärbt
sind. Das soll Menschen etwa mit Diabetes oder Bluthochdruck auch
eine speziellere Orientierung geben. Daneben zeigt eine große Wabe
eine Gesamtbewertung. Je günstiger sie ausfällt, desto mehr von fünf

Flächen haben einen schwarzen Stern und sind blaugrün ausgefüllt.

Wie das Verbraucher-Votum ausfällt, ist offen. Klöckner betont: «Wir

haben keine Präferenz.» SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch hofft auf
ein klares Ergebnis, das allseits anerkannt wird. «Voraussetzung ist
eine transparente und faire Befragung ohne Einflussnahme von wem auch
immer.» Die Lebensmittelbranche mahnt differenzierte Blicke an - auf
Normalgewichtige, aber etwa auch auf Menschen mit Erkrankungen.

Die Verbraucherzentralen dringen auf eine definitive Entscheidung im
Herbst, um die Einführung eines Logos nicht weiter zu verzögern.
Dabei hebt die Organisation Foodwatch auch hervor, eines Tages zu
einer EU-weiten Pflichtkennzeichnung zu kommen - wofür Nutri-Score
die besten Chancen biete. Überhaupt kommt es darauf an, dass das
freiwillige Logo auf einigermaßen breiter Front in den Regalen
auftaucht, wie MRI-Präsident Steinberg deutlich machte. Ein Modell
mit einer Marktdurchdringung von 10 bis 20 Prozent wäre kein Erfolg.