Tödliche Hitzewellen - Vor allem ältere Menschen sterben Von Gisela Gross, dpa

Seit dem Jahr 2000 setzten mehrere extreme Hitzewellen den Menschen
in Deutschland zu. Forscher haben berechnet, welche die tödlichsten
waren - und welche Faktoren entscheidend sind.

Berlin (dpa) - «Ich sterbe vor Hitze.» Das ist leicht gesagt in
diesen Tagen, auch wenn man sich nur verschwitzt-schlapp fühlt. Vor
allem für ältere Menschen sind Hitzewellen aber tatsächlich ein
tödliches Risiko. Studien zeigen, dass solche Perioden in den
vergangenen Jahren in Deutschland für Tausende Todesfälle gesorgt
haben. Mit geschätzt 7600 Toten sei die Hitzewelle 2003 die
folgenschwerste im Zeitraum 2001 bis 2015 gewesen, berichteten
kürzlich Wissenschaftler im «Bundesgesundheitsblatt». Für den Somme
r
2018 liegen noch keine bundesweiten Auswertungen vor - allein für
Berlin gehen Experten aber von etwa 490 Todesfällen aus.

In den Hitze-Sommern 2006 und 2015 starben den Berechnungen zufolge
im ganzen Land rund 6200 beziehungsweise 6100 Menschen aus dem Grund.
Mitautor Matthias an der Heiden vom Robert Koch-Institut in Berlin
sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Man sieht, dass vor allem in den
Altersgruppen 75 bis 84 und über 85 Jahren ein besonderes Risiko
besteht.» Mit einer aktuellen Zunahme der Todesfälle in Deutschland
wegen der Juni-Hitze sei zu rechnen.

Bei mehreren Arten von Erkrankungen verschlimmern sich die Symptome
bei hohen Temperaturen, dazu zählen etwa Atemwegserkrankungen.
Betroffen sind dem Experten zufolge aber nicht nur Menschen mit
Grunderkrankungen: Hitze belaste generell das Herz-Kreislaufsystem -
der Körper muss die eigene Temperatur konstant halten.

Häufig lägen die Gründe für einen Hitzetod in einer fehlenden
Anpassungsfähigkeit des Körpers, sagte der Charité-Arzt Christian
Witt kürzlich dem «Tagesspiegel». «Ältere Menschen können sich
nicht
mehr so gut an Wärme und Extremwetterlagen adaptieren wie junge
Leute.»

Einzelne heiße Tage stellen den Analysen zufolge weniger ein
tödliches Risiko dar - gefährlich werde es ab mehreren Hitzetagen in
Folge, erläutert an der Heiden. Ab Wochenmitteltemperaturen von 20
Grad, Tages- und Nachtwerte einberechnet, würden systematisch mehr
Todesfälle beobachtet. Derart warme Wochen seien in den vergangenen
Jahrzehnten deutlich häufiger beobachtet worden, heißt es in der
Studie. Der Trend werde sich vermutlich im Zuge der Klimaerwärmung
fortsetzen «und eventuell noch verschärfen». 

Mit länger andauernder Hitze werde es immer schwieriger, sich zum
Schutz vor der Hitze in Gebäude zurückzuziehen, weil diese sich
zunehmend aufheizen, sagte an der Heiden. «Gerade Menschen, die nicht
so flexibel sind, zum Beispiel bettlägerig - die sind teils noch
stärker gefährdet.» Wichtig sei, dass nicht mehr handlungsfähige
Menschen genug Unterstützung bekämen: Dass man ihnen Getränke bringt

oder für Erfrischung sorgt, indem man Hände oder Füße in kühl
es
Wasser legt, so der Wissenschaftler. Zu den Empfehlungen zählten auch
vermeintlich naheliegende Dinge wie ausreichendes Trinken.

Wieso muss die Zahl der Hitzetoten überhaupt geschätzt werden? Wie
Matthias an der Heiden erklärt, können Ärzte zwar Hitze als
Todesursache angeben, tatsächlich werde das aber nur sehr selten
gemacht. Die Wissenschaftler analysieren deshalb die Sterbezahlen mit
Blick auf Tage, an denen deutlich mehr Menschen sterben als üblich.
Mittels eines mathematischen Modells suchen sie systematisch nach
Zusammenhängen zwischen hohen Temperaturen und erhöhten Sterbezahlen.

Wie es im «Bundesgesundheitsblatt» heißt, traten sechs der elf
extremsten Hitzewellen im Zeitraum 1950 bis 2015 nach dem Jahr 2000
auf. Eine einheitliche Definition, ab welcher Dauer von einer
Hitzewelle gesprochen wird, gebe es nicht. Um die Schwere zu
beurteilen, gälten hitzebedingte Todesfälle als wichtige Größe.