Kampf um Leben und Tod - Weg für Behandlungs-Stopp Lamberts ist frei

Das Schicksal von Vincent Lambert ist tragisch. Nach einem Unfall
liegt er in einer Art Wachkoma. Über die Frage, ob er leben oder
sterben soll, ist die Familie tief zerstritten. Nun scheint die
Entscheidung darüber endgültig gefallen zu sein.

Paris (dpa) - Frankreichs bekanntester Wachkoma-Patient Vincent
Lambert kann nach einem jahrelangen Rechtsstreit nun wohl doch bald
sterben. Frankreichs höchstes Gericht hat am Freitag den Weg für
einen erneuten Behandlungs-Stopp freigemacht. Für ein Ende der
Behandlung gebe es ab sofort kein rechtliches Hindernis mehr, sagte
der Anwalt von Lamberts Ehefrau, Patrice Spinosi, nach der
Verhandlung vor TV-Kameras. Der Anwalt der Eltern drohte rechtliche
Schritte gegen Lamberts Arzt an, sollte die Behandlung gestoppt
werden.

Der Entscheidung des Kassationsgerichts geht ein dramatisches
rechtliches Tauziehen durch alle Instanzen voraus. Erst im Mai war
die Behandlung von Lambert gestoppt worden. Wenige Stunden später
jedoch ordnete ein französisches Berufungsgericht die Wiederaufnahme
an. Der Kassationshof hat diese Entscheidung nun aufgehoben und
festgestellt, dass das Berufungsgericht nicht zuständig war.

Der heute 42-jährige Lambert war vor rund zehn Jahren bei einem
Verkehrsunfall verunglückt und hatte sich schwer am Kopf verletzt. Er
befindet sich seitdem in einem vegetativen Zustand. Die katholischen
Eltern wollen den Tod ihres Sohnes mit aller Macht verhindern und
klagten. Sie scheiterten in Frankreich immer wieder vor Gericht und
auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Die Familie des früheren Krankenpflegers ist zutiefst zerstritten.
Lamberts Ehefrau will ihren Mann «in Würde gehen lassen». Lambert
habe sich nie gewünscht, dass sein Leben künstlich verlängert werde,

sagte sie vor einigen Jahren. Eine entsprechende Patientenverfügung
von Lambert gibt es allerdings nicht.

Das Krankenhaus Reims, in dem Lambert untergebracht wurde, ist nach
der Entscheidung des Gerichts nun berechtigt, die Pflege von Lambert
zu beenden. «Ich denke, dass das Universitätsklinikum Reims
entschlossen ist, die Behandlung einzustellen, und ich denke, dass es
dies tun wird», sagte Lamberts Neffe François, der auf Seiten der
Ehefrau steht, dem Sender Franceinfo.

Der Anwalt von Lamberts Eltern reagierte auf die Entscheidung des
Gerichts mit einer massiven Drohung. Man werde den behandelnden Arzt
wegen Mordes vor Gericht bringen, sollte er die Behandlung beenden,
sagte Jérôme Triomphe laut französischer Nachrichtenagentur AFP.

Ein vegetativer Zustand, eine Art Wachkoma - das heißt in der Regel,
dass Patienten zwar die Augen offen haben und wach erscheinen, aber
keinen Gegenstand fixieren und auch nicht mit Sprache oder Bewegungen
auf äußere Einflüsse reagieren. Das Stammhirn ist aber noch aktiv,
Blutdruck, Atmung und viele Reflexe werden weiter geregelt.

Der tragische Fall hat nicht nur Lamberts Familie zerrissen, sondern
spaltet ganz Frankreich. Politik und Kirche hatten sich zuletzt auf
höchster Ebene eingeschaltet. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron
hatte im Mai betont, sich nicht in den Fall einmischen zu wollen und
die Entscheidung der Gerichte zu akzeptieren. Der Vatikan sicherte
Lambert das Gebet des Papstes und der gesamten Kirche zu. Der Patient
dürfe nicht aufgegeben werden, die Kontinuität der Betreuung sei eine
unausweichliche Pflicht, hieß es.

In Deutschland und Frankreich ist die aktive Sterbehilfe, also einem
Menschen ein tödlich wirkendes Mittel zu verabreichen, verboten.
Passive Sterbehilfe durch das Abschalten von Apparaten und indirekte
Sterbehilfe, bei der starke Medikamente Schmerzen lindern und als
Nebenwirkung das Sterben beschleunigen, sind zulässig.