Euthanasie-Opfer-Forscher Simon mit Annalise-Wagner-Preis geehrt

Neubrandenburg (dpa/mv) - Für sein Buch über Schicksale von rund 100
Euthanasie-Opfern aus Mecklenburg-Strelitz ist der Autor Reinhard
Simon mit dem Annalise-Wagner-Preis 2019 ausgezeichnet worden. Die
Ehrung nahm der Hobby-Historiker am Freitag in der Neubrandenburger
Regionalbibliothek entgegen. In der Arbeit «Domjücher Schicksale:
Patienten der Heil- und Pflegeanstalt Domjüch bei Neustrelitz in der
Zeit des Nationalsozialismus» zeige Simon anhand von
Einzelschicksalen wie NS-Verbrechen damals organisiert wuren und
geben vielen Opfern der Anstalt ihre Würde wieder, hieß es von der
Jury.

Die «Domjüch» war in der NS-Zeit neben Schwerin und Rostock eine von

drei psychiatrischen Anstalten in Mecklenburg, die an der «Aktion T4»
- der Tötung «unwerten Lebens» - beteiligt war. Das Gelände hatte d
ie
Rote Armee besetzt. Inzwischen steht es leer, aber es gibt Führungen
über die Domjüch.

Der Neustrelitzer Simon hatte 2015 einen Artikel über die
NS-Euthanasie-Morde an psychisch Kranken und Behinderten gelesen. Als
ihm klar wurde, dass dieses dunkle Kapitel Geschichte auch in der
«Heil- und Pflegeanstalt Domjüch» - also vor der Haustür - geschehe
n
war, hat er zu forschen angefangen. Er beschrieb, wie das damalige
«Erbgesundheitsgericht» Neustrelitz in diesem Apparat arbeitete, das
unter anderem über Zwangssterilisationen entschied. In dem Buch sind
zudem zum ersten Mal alle 62 Namen der «NS-Opfer» auf der Domjüch
dokumentiert. Insbesonder das Schicksal der jungen Else Reglin aus
Carwitz, die nur 31 Jahre alt wurde, habe ihn  berührt.

Simons Arbeit gehöre zu den verdienstvollen Publikationen regionaler
Geschichte, die als Ergebnis von Bürgerforschung im Ehrenamt
entstanden sind, hieß es. Die Laudatio hielt die Medizinhistorikerin
Kathleen Haack aus Rostock, die auch dem Vorstand der Deutschen
Gesellschaft zur Geschichte der Nervenheilkunde angehört.

Der Annalise-Wagner-Preis ist mit 2500 Euro dotiert. Mit ihm werden
Texte gewürdigt die zum Gedächtnis der historischen Region
Mecklenburg-Strelitz beitragen.