Sommer, Sonne, Rentenplus - Hintergründe der Rentenerhöhung Von Basil Wegener, dpa

Pünktlich zum 1. Juli bekommen die Rentner in Deutschland wieder mehr
Geld. Zehntausende profitieren aber nicht komplett von den höheren
Bezügen. Und dunkle Wolken sind bei der Rente nicht fern.

Berlin (dpa) - Die rund 21 Millionen Rentner in Deutschland erhalten
von diesem Montag an spürbar höhere Bezüge. «Mit der Rentenanpassun
g
in diesem Jahr erleben wir seit 2014 eine Steigerung der Renten im
Westen von 15 Prozent und im Osten von 20 Prozent. Das übertrifft die
Preissteigerung in diesem Zeitraum deutlich», sagte die Präsidentin
der Rentenversicherung, Gundula Roßbach, dem Redaktionsnetzwerk
Deutschland. Doch nicht alle können die neuen, höheren Bezüge
komplett behalten. Ein Überblick über Umfang und Hintergründe der
Rentenerhöhung.

In welchem Ausmaß steigen die Renten an?

In Westdeutschland legen die Renten zum 1. Juli um 3,18 Prozent zu,
im Osten sogar um 3,91 Prozent. Eine monatliche Rente von 1000 Euro,
die nur auf West-Beiträgen beruht, erhöht sich dadurch um 31,80 Euro,
eine gleich hohe Rente mit Ost-Beiträgen um 39,10 Euro.

Warum gehen die Renten in die Höhe?

Formal wurde die Erhöhung mit einer Verordnung des Sozialministeriums
beschlossen. Doch die Rentenanpassung beruht auf einer festgelegten
Formel. Vor allem folgt sie der Lohnentwicklung, die ihre Basis in
der konjunkturellen Lage hat. Die für 2019 zu Buche schlagende
Lohnsteigerung lag in Westdeutschland bei 2,39 Prozent und bei 2,99
Prozent in den neuen Ländern. Auch die Beitragsentwicklung und das
Verhältnis von Beitragszahlern und Rentnern spielen eine Rolle.

Ist das Rentenplus in dieser Höhe etwas Besonderes?

Auch in den vergangenen Jahren stiegen die Renten. 2018 waren die
Renten im Westen um 3,22 Prozent und im Osten um 3,37 Prozent in die
Höhe gegangen. 2017 bekamen die Rentner im Osten 3,59 Prozent und im
Westen 1,9 Prozent mehr.

Wann kommt die Rentenerhöhung genau bei den Senioren an?

Wer seit April 2004 Rente erhält, der bekommt den erhöhten Betrag
etwas später, nämlich Ende Juli. Die anderen erhalten die Zahlung im
Voraus, sie müsste also Ende Juni eingehen.

Erreicht die Rentenerhöhung alle in vollem Maß?

Nein. Denn rund 50 000 Rentner werden wegen der höheren Renten
zusätzlich steuerpflichtig. Insgesamt müssen gut 4,4 Millionen
Personen und zusammen veranlagte Paare mit Renteneinkünften Steuern
zahlen, fast doppelt so viele wie im Jahr 2005, als
der steuerpflichtige Anteil der Rente anzusteigen begann. Fällig wird
die Steuer, wenn die steuerpflichtigen Gesamteinkünfte eines Rentners
über dem Grundfreibetrag (9168 Euro/Verheiratete 18 336 Euro) liegen.

Wie ist das mit den Beiträgen?

Versicherungspflichtige Rentner müssen prozentuale Beiträge für die
Kranken- und Pflegeversicherung zahlen - mit der Rente steigen auch
die Beiträge. Allerdings müssen sie weder in die Renten- noch in die

Arbeitslosenversicherung einzahlen. 

Wie entwickeln sich die Renten in Ostdeutschland?

Sie nähern sich weiter an die Westbezüge an. Der Rentenwert im Osten
steigt auf 96,5 Prozent des West-Werts. Bis zum Jahr 2024 steigt er
aufgrund einer Gesetzesvorgabe von 2017 schrittweise auf 100 Prozent.
Der Rentenwert gibt konkret in Euro an, wie viel ein Entgeltpunkt in
der Rentenversicherung wert ist; ein Entgeltpunkt - berechnet anhand
einer komplizierten Formel - ist maßgeblich für die Höhe der Rente.

Wie viel kostet die Rentenerhöhung?

Knapp 11 Milliarden Euro pro Jahr. Im laufenden Jahr fallen Kosten
von knapp 5,5 Milliarden Euro an.

Welche Perspektiven gibt es für die Rente? 

Mit dem Übertritt der geburtenstarken Jahrgänge in die Rente kommen
in den nächsten Jahren weniger Beitragszahler auf
zahlreichere Rentner. Die Rente gerät also unter Druck. Der
Beitragssatz von 18,6 Prozent dürfte nach offiziellen Prognosen bis
2023 stabil bleiben und 2025 bei 20 Prozent liegen. Das Rentenniveau
- derzeit 48,16 Prozent - wird laut Gesetz bis 2025 bei 48 Prozent
stabil gehalten. Dann dürfte dieses Sicherungsniveau der Rente aber
absinken.

Wie will die Politik darauf reagieren?

Eine Rentenkommission der Regierung berät derzeit hinter
verschlossenen Türen, was für die Rente längerfristig getan werden
kann. Absehbar sind ungemütliche Debatten darüber, ob neue
Steuermilliarden ins System gepumpt werden sollen, das
Sicherungsniveau der Rente sinkt oder die Menschen etwa tendenziell
länger arbeiten müssen. Die Wirtschaft warnt davor, dass nach der
Mütterrente auch die Grundrente, über die die Koalition derzeit
streitet, mit zusätzlichen Milliardenkosten zu Buche schlagen könnte.