Fraktionsvorstände von Union und SPD gehen in Klausur

Die Europawahl war ein Desaster. Die SPD ist auf der Suche nach einer
neuen Fraktions- und Parteispitze. Da wollen die Koalitionsfraktionen
zeigen, dass sie handlungsfähig sind.

Berlin (dpa) - Die geschäftsführenden Vorstände der
Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD treffen sich am Donnerstag
(18.30 Uhr) zu einer zweitägigen Klausur in Berlin. Die
Fraktionsspitzen wollen ausloten, wie es nach den Verlusten bei der
Europawahl und dem Rücktritt von Andrea Nahles als Partei- und
Fraktionsvorsitzende der SPD weiter geht und welche Projekte aus dem
Koalitionsvertrag angegangen werden sollen.

Am Donnerstagabend wollen sich die Politiker um Unionsfraktionschef
Ralph Brinkhaus (CDU), CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und
dem kommissarischen Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Rolf Mützenich, in
einem Berliner Restaurant treffen. Geplant ist eine Rede der
Bürgermeisterin von Freetown, der Hauptstadt von Sierra Leone, Yvonne
Aki-Sawyerr.

Themen des Treffens am Freitag sind dem Vernehmen nach der Ausbau des
neuen Mobilfunkstandards 5G, die Wirtschaftspolitik und hier
insbesondere der vereinbarte Abbau des Solidaritätszuschlages sowie
das weitere Vorgehen im Bereich der Pflege. Es wird erwartet, dass
für alle drei Bereiche Papiere verabschiedet werden sollen.

«Wir werden weiter gut und vertraulich zusammen arbeiten und haben
noch viel vor», sagte der kommissarische SPD-Fraktionschef Rolf
Mützenich den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstag). «Unter
anderem werden wir beraten, wie es gelingt, dass alle Regionen und
alle Bürgerinnen und Bürger schnelles Internet bekommen. Die weißen
Flecken auf der Landkarte müssen verschwinden.»

Als Gast wird am Freitag der Wissenschaftler Gerhard Fettweis
erwartet, der Koordinator eines 5G-Laboratoriums an der Technischen
Universität Dresden ist. Zudem wollen sich die Koalitionäre mit dem
Wirtschaftswissenschaftler Jens Südekum von der Universität
Düsseldorf austauschen. Er befasst sich unter anderem mit den
Auswirkungen von Globalisierung und Digitalisierung auf den
Arbeitsmarkt sowie mit internationalem Handel. In diesem Zusammenhang
dürfte es auch um den Handelskrieg zwischen den USA und China gehen.

Union und SPD hatten in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, die
Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag um die Hälfte zu reduzieren.
90 Prozent der Soli-Zahler sollen dafür von der Steuer befreit
werden.

In der Pflege sind in den nächsten Jahren erhebliche Mehrkosten zu
finanzieren - wegen der alternden Gesellschaft, aber auch weil die
Koalition eine Reihe von Verbesserungen plant. Im Kampf gegen die
akute Personalnot soll unter anderem flächendeckend eine deutlich
bessere Bezahlung durchgesetzt werden.

Je nach den kommenden Steigerungen könnten es zwei bis fünf
Milliarden Euro extra pro Jahr sein, hatte Gesundheitsminister Jens
Spahn (CDU) kürzlich mit Bezug auf ein Gutachten erläutert. Wenn die
Zahlen auf dem Tisch liegen, sei daher in der Koalition über einen
«fairen Ausgleich» zu reden. Möglich wären etwa höhere Pflegebeit
räge
oder ein Staatszuschuss wie bei der Rente.

Übrigens: In das Berliner Lokal am Kreuzberger Landwehrkanal hatte im
vergangenen Dezember auch Alt-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) die
Ministerinnen und Minister der ersten rot-grünen Bundesregierung zum
20. Jubiläum eingeladen.