Warum an Wochenenden mehr Menschen im Krankenhaus sterben

Aussuchen kann man es sich meist nicht, doch klar ist: Am Wochenende
aufgenommene Patienten haben in Kliniken oft ein höheres
Sterberisiko. Dass wie häufig angenommen eine schlechtere Versorgung
die Hauptursache ist, bezweifeln Experten nun.

Coventry (dpa) - Am Wochenende aufgenommene Klinikpatienten haben ein
höheres Risiko zu sterben. Das haben zahlreiche Studien in den
vergangenen Jahren für verschiedene Länder gezeigt. Dieser
Wochenendeffekt wird vor allem auf eine schlechtere Versorgung in
Kliniken an Samstagen und Sonntagen zurückgeführt - Experten zweifeln
das nun in einer neuen Analyse an.

Das britische Forscherteam hatte Studien zum Wochenendeffekt aus
verschiedenen Ländern überprüft. Aus den Daten lasse sich keine klare

Ursache für die höhere Sterblichkeitsrate ableiten, schließen sie im

Fachmagazin «BMJ Open». Erforscht werden müsse vor allem, ob
Menschen, die am Wochenende in die Notaufnahme kommen, im Mittel
schwerer erkrankt sind als die unter der Woche.

Deutsche Experten allerdings halten die Versorgungsqualität weiter
für entscheidend. Wissenschaftliche Nachweise für den Wochenendeffekt
gibt es hierzulande zwar nicht, Experten gehen aber davon aus, dass
er ebenfalls eine Rolle spielt. Die schlechtere Personalstruktur am
Wochenende sei offensichtlich, sagte Anna Slagman, Professorin für
notfallmedizinische Versorgungsforschung an der Charité Berlin.

Wenn dann an Wochenenden zudem Patienten mit schwerwiegenderen
Krankheiten kämen, wie die Forscher der Studie es annehmen, verstärke
dies das Problem, so Slagman. «Natürlich besteht die Möglichkeit,
dass Patienten am Wochenende vielleicht länger abwarten, bevor sie in
die Notaufnahme gehen. Aber gerade vor dem Hintergrund, dass diese
Patienten eine schlechtere Prognose haben, müssen wir mit der
entsprechenden Versorgung darauf reagieren können.»

Auch Ruth Hecker, Stellvertretende Vorsitzende des Aktionsbündnisses
Patientensicherheit, wies auf Versorgungsdefizite an Samstagen und
Sonntagen hin. «Es arbeiten ja vor allen Dingen junge Ärzte am
Wochenende, häufig genug stehen die Fachärzte nur als Rufdienst zur
Verfügung und es stehen auch weniger OP- und andere diagnostische
Ressourcen zur Verfügung.» Die Politik habe bereits einiges getan, um
Personal und Ressourcen zu stärken, der Stand von Wochentagen sei
aber nicht erreicht, so Hecker.

Yen-Fu Chen von der University of Warwick und sein Team hatten für
ihre Analyse die Daten von 68 Studien zum Wochenendeffekt
berücksichtigt. Diese wurden zwischen 2000 und 2017 größtenteils in
den USA und Großbritannien durchgeführt. Insgesamt waren darin 640
Millionen Krankenhausaufenthalte an Wochenenden erfasst. Der
Wochenendeffekt bestätigte sich: Die Wahrscheinlichkeit zu sterben
lag bei dann aufgenommenen Patienten um 16 Prozent höher als an
Werktagen.

Die Daten zeigten aber große Unterschiede abhängig davon, aus welchem
Grund die Patienten ins Krankenhaus kamen. So war zum Beispiel für
Schwangere kaum ein Wochenendeffekt nachweisbar, bei geplanten
Operationen zeigte er sich hingegen sehr stark. Eine andere Studie,
die an der Aston University durchgeführt wurde, zeigt aktuell, dass
der Wochenendeffekt nicht bei Patienten auftrat, die mit einem
Kreislaufstillstand eingeliefert wurden.

Die Forscher um Chen warnen davor, die höhere Sterblichkeitsrate
allein mit schlechterer Versorgung zu erklären. Dagegen spreche zum
einen, dass nicht alle Patientengruppen betroffen seien, zum anderem
reiche die Datenlage nicht aus. So sei in kaum einer Studie mit
untersucht worden, wie viel Personal vor Ort war und mit welchem
Gesundheitszustand die Patienten ins Krankenhaus kamen.

«Es werden weniger Patienten am Wochenende in Krankenhaus aufgenommen
und ihre Profile unterscheiden sich von denen, die unter der Woche
kommen: Sie sind kränker und mehr von ihnen werden
intensivmedizinisch behandelt», so Julian Bion, Co-Autor der Studie.
Auch sei es wahrscheinlich, dass komplizierte Operationen öfter für
das Wochenende geplant werden, so die Forscher.

Um den Wochenendeffekt zu ergründen und geeignete Maßnahmen dagegen
zu ergreifen, müsse auch die Krankheitsgeschichte einbezogen werden,
so die Autoren. Zum Beispiel können viele Patienten am Wochenende
keinen niedergelassenen Arzt besuchen, bevor sie ins Krankenhaus
kommen. «Die Krankenhaussterblichkeit ist ein Signal, aber es liegt
im Dunkeln, wo es genau herkommt, und es ist unwahrscheinlich, dass
es ein geeigneter Maßstab für die Versorgungsqualität während des
Aufenthalts ist», so Erstautor Yen-Fu Chen.

Die Forscher möchten mit den Ergebnissen auch Ängste von Patienten
entkräften: «Im Endeffekt sollte niemand, der am Wochenende erkrankt,
davor zurückschrecken, ins Krankenhaus zu gehen oder das
aufschieben», so Bion.