Uni-Kommission wirft Hirnforscher Birbaumer Fehlverhalten vor

Können vollständig gelähmte Menschen mit der Außenwelt kommuniziere
n?
Der Hirnforscher Niels Birbaumer, ein weltweit anerkannter Experte,
ist davon überzeugt. Eine seiner Studien stößt nun allerdings auf
massive Zweifel.

Tübingen (dpa/lsw) - Eine Kommission der Universität Tübingen hat ein

wissenschaftliches Fehlverhalten des renommierten Hirnforschers Niels
Birbaumer festgestellt. Die Experten empfehlen, dass eine
Hirnforschungsstudie, die 2017 Aufsehen erregte, wegen Verdachts auf
Datenverfälschung zurückgezogen wird.

Wie die Uni am Donnerstag mitteilte, haben ein «Seniorprofessor» und
ein weiterer Forscher erhobene Daten teilweise nicht in ihre Analysen
einfließen lassen und dies nicht transparent gemacht. Andere Daten
und Informationen, die den Analysen zugrunde liegen, seien nicht
einsehbar.

Die Studie war im Fachmagazin «Plos Biology» erschienen. Sie kam zu
dem Ergebnis, dass eine Kommunikation mit vollständig gelähmten
Patienten über eine Schnittstelle zwischen ihrem Gehirn und einem
Computer möglich sei. Forscher um den emeritierten Tübinger
Hirnforscher Birbaumer testeten dafür eine spezielle Kopfhaube.
Patienten beantworteten bei der Untersuchung Fragen in Gedanken,
während Wissenschaftler über die Haube die Hirnaktivität maßen.

Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter hatte sich 2018 mit Zweifeln an
der Studie an die Universität gewandt. Die Hochschule prüft derzeit
weitere Konsequenzen. So schlägt die Kommission vor, auch
zurückliegende Arbeiten der betroffenen Wissenschaftler wie auch den
Status des Seniorprofessors zu überprüfen.

Für die Qualitätssicherung von Publikationen sei das sogenannte
Peer-Review-Verfahren maßgeblich, also die Beurteilung durch
Fachkollegen, erklärt der Sprecher der Uni Tübingen, Karl Rijkhoek.
«Auf diese Verfahren und Entscheidungen haben Universitäten keinen
Einfluss.» Dennoch sehe sich die Universität bei dem Thema Qualität
in der Wissenschaft in der Verantwortung. Daher gebe es Kommissionen
und Vertrauenspersonen, die auch in diesem Fall aktiv wurden. Darüber
hinaus sei es wichtig, Studierende ab dem ersten Semester mit
sauberem wissenschaftlichen Arbeiten vertraut zu machen.

Am Donnerstag berichtete zuerst das «Schwäbische Tagblatt» über die

Beurteilung der Birbaumer-Studie durch die Uni-Kommission. Für eine
Stellungnahme war Birbaumer zunächst nicht zu erreichen.