Trinken, Rauchen, Zocken - die Laster der Arbeitnehmer

Übermäßiges Trinken, Rauchen oder auch Computerspielen schränkt die

Arbeitsfähigkeit ein - und zwar stärker als zunächst erkennbar. Wie
sehr, zeigt ein neue Studie.

Stuttgart (dpa/lsw) - Ein Glas Wein am Abend, die Zigarettenpause im
Büro, eine Runde Computerspielen zwischendurch: Als Sucht würden das
wohl die wenigsten bezeichnen. Doch Hunderttausende Beschäftigte in
Baden-Württemberg sind zigarettenabhängig, trinken zu viel oder
spielen in riskantem Maße am Computer. Zu diesem Ergebnis kommt eine
Studie der DAK-Gesundheit, die die Krankenkasse am Dienstag in
Stuttgart vorgestellt hat. Die Arbeitsfähigkeit der Betroffenen ist
demnach teilweise deutlich eingeschränkt.

«Suchtprobleme im Job sind kein Nischenthema», sagt der Leiter der
DAK-Landesvertretung, Siegfried Euerle. Viele Arbeitnehmer seien im
Job abgelenkt und unkonzentriert. Hinzu komme ein erhöhter
Krankenstand.

Das nachzuweisen ist allerdings nicht so einfach, da etwa Alkohol
oder Tabak nur selten Teil der Diagnose für eine Krankschreibung
sind. Deshalb haben die Autoren den Krankenstand von zwei
verschiedenen Gruppen verglichen: Mitarbeiter mit auffälligem Konsum
von Alkohol, Tabak oder anderen Substanzen haben einen doppelt so
hohen Krankenstand wie Beschäftigte ohne Auffälligkeiten. Sie fallen
auch aus zunächst unauffälligen Gründen häufiger aus, zum Beispiel

wegen psychischer Leiden oder Rückenschmerzen.

Auch während der Arbeit wirken sich Abhängigkeiten aus. Je abhängiger

Raucher sind, desto eher rauchen sie auch während der Arbeitszeit,
außerhalb von Arbeitspausen. Die meisten Raucher seien
zigarettenabhängig; das Suchtpotential sei sehr hoch, sagt Susanne
Hildebrandt vom IGES-Institut, das mit der Analyse betraut war.

Der Umstieg auf die E-Zigarette verspricht kaum Abhilfe, da die
Mehrheit nikotinhaltige Liquids dampfe. Ein positiver Trend zeigt
sich jedoch beim Blick auf die Altersverteilung: Je jünger die
Beschäftigten, desto weniger von ihnen rauchen. «Hier haben offenbar
die ganzen Diskussionen um den Nichtraucherschutz gefruchtet», sagt
Hildebrandt.

Die Debatte fehle beim Alkohol offenbar noch. Hier ist das Verhältnis
von Konsumenten und Nicht-Konsumenten umgekehrt: Während rund 80
Prozent der Beschäftigten in Baden-Württemberg Nichtraucher sind,
trinken nur rund 20 Prozent keinen Alkohol. Und auch die
Altersverteilung fällt umgekehrt aus. Jüngere Arbeitnehmer zeigen
häufiger einen riskanten Alkoholkonsum als ihre älteren Kollegen.

Als riskanter Trinker gelten Männer, die mehr als zwei 0,3-
Liter-Gläser Bier am Tag trinken. Bei Frauen liegt die Grenze bei
einem Glas. Wer so viel oder mehr trinkt, riskiert bereits
gesundheitliche Schäden. Außerdem sind Angestellte, die riskant
trinken, häufiger unkonzentriert bei der Arbeit und kommen häufiger
wegen Alkohol zu spät.

Zum ersten Mal hat die DAK auch das Computerspielverhalten von
Angestellten in den Blick genommen. Bei rund 7 Prozent gehen die
Autoren von einem riskanten Verhalten aus. Wie beim Alkohol ist auch
hier der Anteil bei jungen Beschäftigten am höchsten. Jeder vierte
riskante Spieler spielt sogar während der Arbeitszeit.

Für die Untersuchung hat die Krankenkasse unter anderem die Daten von
rund 293 000 Versicherten im Südwesten ausgewertet, rund 1000
Beschäftigte im Land befragt und Experteninterviews geführt.

Maurice Cabanis, Leitender Oberarzt an der Klinik für Suchtmedizin
und abhängiges Verhalten am Klinikum Stuttgart, gibt zu bedenken,
dass die Untersuchung nur einen geschönten Blick auf das Thema Sucht
gewährt. Viele Süchtige seien nicht erwerbstätig und daher nicht Teil

der Untersuchung. Dennoch sei der Blick auf das Suchtrisiko von
Arbeitnehmern wichtig, um einen sozialen Abstieg zu verhindern.

«Die betriebliche Suchtprävention ist wichtiger denn je», betont
Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). Sie kündigt an,
den Arbeitsschutz in Baden-Württemberg stärken zu wollen.