Bessere Bedingungen sollen dringend gesuchte Pflegekräfte locken Von Sascha Meyer, dpa

Die Familienministerin sagte es zum Auftakt so: «Es muss cool werden,
Pflegekraft zu sein.» Nach mehrmonatigen Beratungen in einem großen
Dialogprozess liegen nun Ideen dazu vor - es gibt aber offene Fragen.

Berlin (dpa) - Die Bundesregierung will angesichts der Personalnot in
der Pflege grundlegend bessere Arbeitsbedingungen erreichen, um zu
mehr Fachkräften zu kommen. Darauf zielt ein Maßnahmenpaket, das
Arbeitsminister Hubertus Heil, Familienministerin Franziska Giffey
(beide SPD) und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Dienstag nach
knapp einjährigen Beratungen mit zahlreichen Beteiligten vorgelegt
haben. Durchgesetzt werden soll eine bundesweit bessere Bezahlung in
der Altenpflege. Die Pflege-Ausbildung soll angekurbelt werden,
Kräfte aus dem Ausland sollen leichter und schneller ins Land kommen
können.

Spahn sagte, die Pflege müsse wieder attraktiver werden, und dies
gehe nur mit mehr Personal. «Das entlastet nicht nur die einzelne
Pflegekraft, sondern lässt auch mehr Zeit für die Betreuung der
Pflegebedürftigen.»

Die Vorschläge wurden in einer «Konzertierten Aktion Pflege» der
Regierung erarbeitet, die im Sommer 2018 gestartet worden war. Daran
beteiligten sich Arbeitgeber und Gewerkschaften, Kirchen,
Wohlfahrtsverbände, Krankenkassen und Betroffenenvertreter. In der
Alten- und Krankenpflege arbeiten rund 1,6 Millionen Menschen, fast
40 000 Stellen sind aber unbesetzt.

Die Vorschläge im Überblick:

BEZAHLUNG: «Unser Ziel sind bessere Gehälter», sagte Heil. Die
rechtlichen Grundlagen dafür wolle die Bundesregierung noch vor der
Sommerpause beschließen. «Dann ist die Pflegebranche am Zug: Sie muss
entscheiden, ob sie für bessere Löhne einen flächendeckenden
Tarifvertrag abschließen kann.» Einen ausgehandelten Vertrag von
Arbeitgebern und Gewerkschaft Verdi würde der Bund dann für die ganze
Branche für allgemeinverbindlich erklären. Passiert dies nicht, soll
eine Kommission wie bisher Mindestentgelte festgelegen, aber nicht
nur für Hilfskräfte, sondern auch für Pflege-Fachkräfte. Kommen sol
l
dabei auch ein einheitlicher Pflegemindestlohn für Ost und West.

AUSBILDUNG: «Es muss klar werden: Pflege ist ein Zukunftsberuf,
eine Ausbildung in der Pflege lohnt sich und eröffnet Möglichkeiten
für verschiedene Berufswege», sagte Giffey. Geplant ist eine neue
Pflegeausbildung ab 2020 - dann soll bundesweit dafür auch kein
Schulgeld mehr fällig werden, Azubis sollen vielmehr Vergütungen
bekommen. Geplant sind außerdem 5000 Weiterbildungsplätze. Insgesamt
soll bis 2023 die Zahl der Azubis und ausbildenden Einrichtungen im
Bundesschnitt um zehn Prozent im Vergleich zu diesem Jahr zulegen.

ARBEITSBEDINGUNGEN I: Ein großes Problem ist, dass angesichts der oft
strapaziösen Bedingungen viele Pflegekräfte nur Teilzeit arbeiten
oder ganz aus dem Beruf aussteigen. Um bessere Bedingungen etwa auch
mit verlässlicheren Dienstplänen zu erreichen, sollen verbindliche
Personalschlüssel umgesetzt werden - also Vorgaben, wie viele
Pflegekräfte in Einrichtungen für wie viele Pflegebedürftige
vorgesehen sind. Kräfte aus dem Ausland sollen schon in den
Herkunftsländern bei der Fach- und Sprachausbildung unterstützt
werden. Für Vermittler von Pflegekräften aus dem Ausland soll ein
Gütesiegel entwickelt werden.

ARBEITSBEDINGUNGEN II: Um den Beruf attraktiver zu machen, sollen
Pflegefachkräfte auch mehr Verantwortung übernehmen können. Dafür
sollen von diesem Jahr an Standards etwa zur stärkeren Zusammenarbeit
mit Ärzten erarbeitet werden. Pflegekräfte sollen zudem mit digitaler
Technik von Bürokratie entlastet werden. Ziel ist unter anderem, die
Pflege «mittelfristig» komplett auf elektronische Datenverarbeitung
umzustellen, also mit digitalen Pflegeakten oder Verordnungen.

FINANZIERUNG: Konkrete Aussagen zur Finanzierung werden vorerst nicht
gemacht. Festgehalten wird, «dass eine Verbesserung der Entlohnung
eine verbesserte Finanzausstattung der Pflegeversicherung
erforderlich macht». Außerdem sei «eine finanzielle Überlastung der

Pflegebedürftigen» durch steigende Eigenanteile zu verhindern. Die
Deutsche Stiftung Patientenschutz sieht Spahn, Heil und Giffey
gefordert. «Sie müssen endlich einen konkreten Plan vorlegen, wie die
Pflege der Zukunft aussieht und finanziert wird», sagte Vorstand
Eugen Brysch der Deutschen Presse-Agentur. Der Sozialverband VdK
mahnte: «Wir müssen verhindern, dass die Pflegehaushalte einen
Großteil der Ausgabensteigerungen refinanzieren müssen.»