Kraftsport mit Babybauch - Mehr Schwangere in der Mucki-Bude Von Johannes Neudecker, dpa

Eine Schwangerschaft hält Hobby-Kraftsportlerinnen nicht vom Training
ab. Viele Frauen wollen auch mit Baby im Bauch weiter Gewichte
stemmen und fit blieben. Aber ist das überhaupt gesund?

Düsseldorf (dpa) - Elli Hachmann atmet tief ein. Mit einer 15
Kilogramm schweren Hantel im Nacken wärmt sie sich mit Kniebeugen
auf, den Blick konzentriert nach vorne gerichtet. Was auffällt: Sie
ist schwanger - im achten Monat. Regelmäßig trainiert die
Düsseldorferin im Fitnessstudio. Auch andere Schwangere stemmen dort
Gewichte. «Bei mir ist das Ziel, die Kraft so gut es geht zu
erhalten», sagt die 36-Jährige.

In Krafthallen trainieren immer öfter Sportlerinnen mit Babybauch.
«Das liegt daran, dass insgesamt mehr Frauen Kraftsport machen. Die
Fitnesswelt hat sich in den letzten fünf bis zehn Jahren verändert»,

erklärt Hachmann, die freiberufliche Fitness- und Ernährungstrainerin
ist. Frauen, die zu ihr kommen, wollen schöne Körperformen statt
einfach nur schlank sein, wie sie erzählt. Beliebt ist bei
Kraftsportlerinnen das aus den USA nach Europa übergeschwappte
Crossfit. Die Trainingsmethode verbindet Kraftsportübungen wie
Gewichtheben mit Ausdauer- und Beweglichkeitstraining.

Das bisweilen verstaubte Gewichtheben erlebte dadurch eine
Wiedergeburt - vor allem bei den Frauen. Laut Bundesverband Deutscher
Gewichtheber (BVDG) nahmen 2018 mit 51 Prozent erstmals mehr Frauen
als Männer an Deutschen Meisterschaften teil. 2016 lag der
Frauenanteil noch bei 33 Prozent. Diese Athletinnen seien überwiegend
Hobby-Gewichtheberinnen, heißt es beim BVDG.

In sozialen Medien ist Kraftsport in der Schwangerschaft ein
verbreitetes Thema. Kraftsportlerinnen und viele Crossfitterinnen
präsentieren sich auf der Plattform mit ihren Baby-Bäuchen beim
Training. Unter «#pregnantathlete», also schwangere Athletin, wurden
auf Instagram über 4900 Bilder und Videos gepostet. Die Schwangeren
meistern da Gewichte, bei denen auch viele Männer ins Schwitzen
geraten, oder turnen an Ringen.

Crossfitterin Hachmann glaubt allerdings, das mitunter eine perfekte
Welt gezeigt werde, die es so gar nicht gebe. «Das verleitet einen
dazu, sich mit Menschen zu vergleichen, die ein unrealistisches Bild
von der Wahrheit abgeben.» Bei den Instagram-Crossfitterinnen, die
acht Wochen nach der Entbindung wieder einen Wettkampf machten, könne
sie sich vorstellen, dass einige Athletinnen negative Folgen
davongetragen hätten. Darüber werde nicht gesprochen.

Hachmann, die gerade ihr zweites Kind erwartet, macht seit zehn
Jahren Crossfit. Bei ihrer ersten Schwangerschaft hatte sie gerade
erst damit angefangen und unterschätzt, was eine Schwangerschaft mit
dem Körper mache, wie sie zugibt. «Ich habe Fehler gemacht, aus denen
ich gelernt habe. Das nehme ich jetzt mit in diese aktuelle
Schwangerschaft. Ich war einfach jünger, naiver und ein bisschen mehr
vom Ego getrieben.»

Sollten Schwangere also überhaupt Gewichte heben und stemmen? Im
Fitnessstudio seien vor allem besorgte Männer auf Hachmann zugekommen
und hätten gefragt: «Geht das denn noch?». Ja, habe sie dann
geantwortet und erklärt, dass sie ja nicht mit voller Leistung
trainiere.

Es sollte nicht versucht werden, mit betontem Bauchmuskeltraining
einen flachen Bauch zu erhalten, sagt Frauenarzt Christian Albring,
Präsident des Berufsverbands der Frauenärzte. Dabei riskierten die
Schwangeren nur, dass die bindegewebigen Verbindungen zwischen den
Bauchmuskeln überdehnt werden und sogar reißen.

Sportmediziner empfehlen daher ein moderates Krafttraining. Der
Deutschen Sporthochschule Köln zufolge sind dafür keine negativen
Effekte beschrieben. Im Gegenteil verbessere optimal dosiertes
Krafttraining die Beweglichkeit sowie die Kontrolle der
Gewichtszunahme und stärke die Rückenmuskulatur. Wichtig sei jedoch
auch, dass die Frauen «auf Ihren Körper hören und sich eine Pause
gönnen, wenn er es fordert».

Frauen, die trainieren wollen, haben laut Hachmann Angst, etwas
falsch zu machen. Viele verließen sich deshalb auf den Arzt. Die
Ärzte wiederum verhielten sich mitunter eher defensiv, weil sie nicht
ausreichend über das Thema informiert würden, erklärt
Sportpsychologin Marion Sulprizio. «Den größten Einfluss hat leider
die veraltete Einstellung, dass Schwangere sich schonen sollten»,
sagt Albring. «Es ist eher so, dass sich viele Schwangere zu wenig
bewegen.»

Sulprizio erhält immer mehr Anfragen von Frauen zu Kraftsport und
Schwangerschaft. Im Arbeitskreis «Sport und Schwangerschaft» unter
der Organisation der Deutschen Sporthochschule beantworten Experten
wie Sportmediziner, Gynäkologen, Physiotherapeutinnen und
Psychologinnen Fragen zu Sport in der Schwangerschaft. Das Team habe
bisher etwa 3500 Frauen beraten. Das Interesse für das Thema wächst
jedenfalls deutlich.