Nach Massaker mit zwölf Toten: USA diskutiert wieder über Waffen Von Can Merey und Michael Donhauser, dpa

Erneut schießt ein Mann in den USA wild um sich. In der Küstenstadt
Virginia Beach sterben zwölf Unschuldige. Die Debatte um
Waffenmissbrauch flammt erneut auf - an eine Reform glauben nur
wenige.

Virginia Beach (dpa) - Nach einem neuerlichen Schusswaffenmissbrauch
mit zwölf Todesopfern im US-Ostküstenstaat Virginia haben Politiker
der Demokraten eine Verschärfung der Waffenbestimmungen gefordert.
Der Präsidentschaftsbewerber der Demokraten, Cory Booker, sprach sich
bei CNN für bundesweite Waffenscheine als Voraussetzung für
Waffenbesitz aus. Sein Mitbewerber, der frühere Vizepräsident Joe
Biden, sagte, es gebe Möglichkeiten, etwa schärfere Richtlinien für
die Aufbewahrung von Waffen zu schaffen. Biden war als Vizepräsident
an der Seite Barack Obamas mit dem Versuch gescheitert, das
Waffenproblem in den USA zu lösen.

Ein städtischer Angestellter im Küstenort Virginia Beach hatte am
Freitag bei einem Massaker elf Kollegen und einen Auftragnehmer
erschossen. Nach einem langen Schusswechsel hätten Polizisten
schließlich den bewaffneten Einzeltäter erschossen, sagte der
örtliche Polizeichef Jim Cervera. Vier weitere Menschen wurden
verletzt, als der Mann in einem Gebäude der Stadtverwaltung das Feuer
eröffnete. Drei befanden sich am Samstag noch mit schweren
Verletzungen auf der Intensivstation, sagte der Chefarzt der Klinik,
Martin O'Grady.

Bürgermeister Bobby Dyer sagte am Freitagabend (Ortszeit): «Das ist
der verheerendste Tag in der Geschichte von Virginia Beach.» Der
Täter war seit langem bei der Stadt angestellt gewesen. Vermutungen,
der Täter könnte aus Frust über seine Entlassung oder eine
Disziplinarmaßnahme die Nerven verloren haben, bestätigten sich
nicht. Die Stadtverwaltung gab am Sonntag bekannt, dass der Mann
Stunden vor der Tat per E-Mail selbst gekündigt hatte. Es habe keine
Disziplinarmaßnahmen gegen ihn gegeben, seine Arbeitsleistung sei
zufriedenstellend gewesen.

Nach dem Massaker gewann die in solchen Fällen in den USA übliche
Debatte um strengere Waffengesetze wieder an Fahrt. Der
Parteivorsitzende der Demokraten, Tom Perez, sagte bei CNN: «Wir
können etwas dagegen tun.» Der Waffenlobby-Organisation NRA müsse der

Kampf angesagt werden. Sein Parteikollege, der New Yorker Abgeordnete
Gregory Meeks, sagte bei CNN: «Es ist immer dasselbe. Wir halten eine
Gedenkminute, und danach passiert nichts.» Es gebe diverse
abstimmungsreife Gesetzesvorlagen. Die NRA müsse die Frage
beantworten, warum gesunder Menschenverstand nicht siegen könne.

Der Gouverneur von Virginia, Ralph Northam, hatte seit geraumer Zeit
versucht, strengere Waffengesetze einzuführen, etwa grundsätzliche
Hintergrund-Untersuchungen für Käufer von Schusswaffen. Dies
scheiterte jedoch am von den konservativen Republikanern dominierten
Kongress in Virginia. US-Präsident Donald Trump besuchte am Sonntag
in Virginia in Gedenken der Opfer eine Kirche, äußerte sich aber
nicht zur Waffendebatte.

In den USA sind nach einer Statistik der Organisation Gun Violence
Archive seit Jahresbeginn fast 6000 Menschen durch Missbrauch von
Schusswaffen ums Leben gekommen - mehr als 35 alleine an diesem
Wochenende.

Polizeichef Cervera sagte, der Täter sei am Freitagnachmittag in den
Verwaltungskomplex der 450 000-Einwohner-Stadt am Atlantik
eingedrungen und habe mit seiner großkalibrigen Handfeuerwaffe
wahllos auf Menschen in allen drei Stockwerken des Gebäudes
geschossen. Er sei mit mehreren übergroßen Magazinen ausgerüstet
gewesen. Als Polizisten eintrafen, habe der Schütze auch auf sie
geschossen. Ein Polizist sei getroffen worden, seine Schutzweste habe
ihm das Leben gerettet.

CNN berichtete unter Berufung auf Ermittlerkreise, dass es sich bei
dem Schützen um einen 40-jährigen Mann handele. Nachbarn beschrieben
ihn demnach als Einzelgänger. Cervera sagte, die Ermittler
untersuchten einen Tatort, der «am besten als Kriegsgebiet»
beschrieben werden könne.

Eine städtische Angestellte, die sich bei dem Angriff im Gebäude
aufhielt, sagte dem Lokalsender WAVY, sie habe Schreie und Schüsse
gehört und den Notruf angerufen. «Wir haben uns im Büro
verbarrikadiert.» Sie und ihre Kollegen hätten die Tür mit einem
Schreibtisch blockiert. «Wir haben nur gehofft, dass es bald vorbei
sein wird.» Anwohner fanden sich am Samstag zu einer spontanen
Andacht in der Nähe des Tatorts zusammen.

Die Tat sorgte für Entsetzen in den USA. In Amerika kommt es auch
wegen der laxen Waffengesetze immer wieder zu tödlichen Angriffen,
bei denen Täter wahllos auf Menschen schießen. So hatte etwa im
Oktober 2017 ein Mann in Las Vegas das Feuer auf ein Musikfestival
eröffnet und 59 Menschen getötet. Im Juni 2016 hatte ein Mann in
Orlando 49 Besucher eines Schwulenclubs erschossen.

Bemühungen von Organisationen, strengere Waffengesetze zu erkämpfen,
scheitern am Widerstand vor allem konservativer Politiker und der
NRA. Präsident Donald Trump hatte bei einer NRA-Veranstaltung im
April betont, seine Republikaner seien die Partei, die das Recht auf
Waffenbesitz schütze. Mit Blick auf die Demokraten sagte er damals:
«Sie werden auch eure Waffen wegnehmen!» Er versprach den
Waffenlobbyisten, das von Konservativen auf die US-Verfassung
zurückgeführte Recht auf Waffenbesitz nicht anzutasten.

Der Fraktionschef der Demokraten im US-Senat, Chuck Schumer, nannte
das Massaker im Bundesstaat Virginia am Freitag «eine weitere
furchtbare Tragödie», die daran erinnere, dass Waffengewalt in den
USA angesprochen werden müsse. «Das kann nicht weitergehen.»