Bundesgericht entscheidet über Honorarkräfte in Kliniken und Heimen

Selbstständige Ärzte und Pfleger überbrücken Engpässe in Kliniken
und
Pflegeheimen. Doch die Deutsche Rentenversicherung sieht in vielen
Fällen die Kriterien für eine Scheinselbstständigkeit erfüllt. Nun

befasst sich das Bundessozialgericht damit.

Kassel (dpa/lhe) - Dürfen freiberufliche Ärzte und Pflegekräfte in
Kliniken und Heimen gegen Honorar beschäftigt werden oder sind sie
scheinselbstständig? Darüber entscheidet am Dienstag (4. Juni) und
Freitag (7. Juni) in insgesamt 16 Verfahren das Bundessozialgericht.
Die Kasseler Richter verhandeln dabei die Klagen von Freiberuflern,
Krankenhäusern und Pflegeheimen aus mehreren Bundesländern, die sich
gegen Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung wehren.

«Honorarärzte werden häufig nebenberuflich oder für eine Vielzahl v
on
Auftraggebern, zeitlich auf Tage oder wenige Wochen befristet auf
Basis individuell vereinbarter Einsätze und Dienste tätig», erklärt

Jutta Siefert, Sprecherin des Bundessozialgerichts (BSG). Oft würden
sie über Agenturen an die Krankenhäuser vermittelt und arbeiteten für

einen vorher festgelegten Stundensatz. Der liege üblicherweise
deutlich über dem Lohn eines vergleichbaren angestellten Arztes.

«Es geht nicht um prekäre Arbeitsverhältnisse oder das Einsparen von

Sozialabgaben», sagt auch Nicolai Schäfer, Vorsitzender des
Bundesverbands der Honorarärzte. Vielmehr träfen ähnlich gelagerte
Interessen aufeinander: Einige Mediziner wollten selbst bestimmen,
wie viel sie arbeiteten. Gleichzeitig seien für Kliniken Ärzte
wichtig, «die man zeitweise gewinnen kann, wenn Stellen vakant sind
oder Abteilungen vor dem Kollaps stehen».

Wie viele Honorarärzte es bundesweit gibt, ist unklar. Im Schnitt
greife aber jede zweite Klinik auf sie zurück. Vor allem im Bereich
Anästhesie (Betäubung), Innere Medizin und sprechende Medizin - das
sind Arbeitsfelder, bei denen die Kommunikation zwischen Arzt und
Patient besonders bedeutsam ist - seien Honorarärzte wichtig.

Bei Überprüfungen kam die Deutsche Rentenversicherung zu dem Schluss,
dass die Honorarärzte oftmals nicht wie Freiberufler beschäftigt
wurden, sondern wie abhängig Beschäftigte. Damit hätten die
Arbeitgeber auch Sozialabgaben wie Arbeitslosen- und
Rentenversicherung zahlen müssen. «So entstehen erhebliche
Nachzahlungen», sagt Schäfer. Für die Ärzte gehe es um weniger Geld
:
Nur einen Teil könnten sich die Kliniken von den Medizinern
zurückholen.

Kliniken und Mediziner wehrten sich, laut dem Bundessozialgericht
aber meist vergeblich. Die Landessozialgerichte hätten überwiegend
das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung bejaht, erklärt
BSG-Sprecherin Siefert.

Denn laut dem Bundesverband der Honorarärzte ist bisher unklar,
welche Kriterien - wie Unternehmerrisiko und Eingliederung in die
Klinikorganisation - ausschlaggebend für eine Beurteilung des
Beschäftigungsverhältnisses sind. Das Bundessozialgericht werde
Klarheit bringen, so die Hoffnung: «Ich glaube, das Urteil wird dafür
sorgen, dass wir mehr wissen, welche Kriterien erfüllt sein müssen,
damit wir von echter Selbstständigkeit sprechen können», erklärte
Schäfer.

Die Deutsche Rentenversicherung rechnet ebenso damit, dass «das
Bundessozialgericht die bisherige Rechtsprechung zur Abgrenzung von
abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit weiter
ausdifferenzieren wird», wie ein Sprecher mitteilte. Als Verwaltung
sei die Deutsche Rentenversicherung an Recht und Gesetz gebunden, und
damit «die wahre rechtliche Natur der gelebten Verhältnisse»
entscheidend. Der Wille des Betroffenen sei daher nicht
ausschlaggebend, «sondern allenfalls ein Indiz».

Auch Kliniken sehen die Verhandlungen mit Spannung: «Die Entscheidung
ist wichtig, da erstmals höchstrichterlich zu den Honorarärzten
entschieden wird», sagte ein Sprecher der Deutschen
Krankenhausgesellschaft.

Die vier am Freitag (7. Juni) verhandelten Verfahren betreffen keine
Ärzte, sondern Pflegekräfte in Pflegeheimen, die auf Honorarbasis
beschäftigt wurden. Auch hier liege üblicherweise die Bezahlung
deutlich über dem Lohn einer angestellten Pflegefachkraft, heißt es
vom Bundessozialgericht.

Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) hofft auf eine
richtungsweisende Entscheidung: «Der DBfK ist froh darüber, dass
diese Frage nun endlich in höchster Instanz verhandelt und
entschieden wird und damit dann eine grundsätzliche Orientierung
vorliegt», sagte eine Sprecherin: «Nach unserer Überzeugung hat die
Deutsche Rentenversicherung weit überzogen mit ihrem Verhalten
gegenüber Einzelselbstständigen und deren Arbeitgebern und damit der
Sache nicht gedient.»

Nachdem die Rentenversicherung wiederholt gegen Selbstständige und
ihre Arbeitgeber vorgegangen und Nachzahlung fällig geworden sei, sei
die Honorartätigkeit in der direkten Pflege fast komplett
verschwunden.