Gesundheits-Apps von der Kasse: Spahn will mehr digitales Tempo Von Sascha Meyer, dpa

Mit der Online-Vernetzung geht es im deutschen Gesundheitswesen seit
langem nur schleppend voran. Dabei machen global agierende Anbieter
schon mobil. Der Minister will mehr Druck für weitere Fortschritte
machen.

Berlin (dpa) - Gesundheits-Apps auf Kassenkosten, leichtere Infos zu
Videosprechstunden, weniger Papierkram in den Praxen: Neue digitale
Angebote sollen nach Plänen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn
bald auf breiter Front für Patienten zu nutzen sein. Der
CDU-Politiker brachte dafür einen Entwurf auf den Weg, der auch die
Akteure des Gesundheitswesens zum Mitziehen verpflichten soll. Von
den gesetzlichen Kassen kam Unterstützung, aus der Opposition Kritik.

«Der Patient von morgen wird immer noch einen Arzt brauchen», sagte
Spahn am Mittwoch in Berlin. «Aber er wird keinen Arzt mehr
ernstnehmen, der nur noch über Karteikarten arbeitet.» Alle seien
daher aufgerufen, den digitalen Wandel mitzugestalten statt ihn nur
zu erleiden - und offen für Veränderungen zu sein. Schon jetzt gebe
es massive Investitionen internationaler Digitalkonzerne. Es gelte
aber, hiesige Standards auch für den Datenschutz zu gewährleisten.

Mit einem «Digitalisierungsgesetz» will Spahn nun weiter Tempo für
Angebote machen, die spürbaren Nutzen versprechen. Eine Zielmarke ist
die schon festgeschriebene Einführung freiwilliger E-Patientenakten
bis spätestens 2021 - nachdem das Gezerre um zusätzliche Funktionen
für die elektronische Gesundheitskarte so etwas wie «der Berliner
Flughafen des Gesundheitswesens» geworden sei. Konkret geht es in den
Plänen nach Angaben aus Ministeriumskreisen um mehrere Bausteine:

GESUNDHEITS-APPS: Bestimmte Gesundheits-Apps fürs Handy sollen
Patienten künftig von den gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV)
bezahlt bekommen - wenn ihr Arzt ihnen das verschreibt. Dabei geht es
zum Beispiel um Anwendungen, die beim regelmäßigen Einnehmen von
Medikamenten helfen, digitale Tagebücher für Diabetiker oder Apps für

Menschen mit Bluthochdruck. Dafür soll eine rasche Zulassung über das
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geregelt
werden, das auch Qualität und Datenschutz von Angeboten prüfen soll.

TELEMEDIZIN: Vor einem Jahr hatte die Ärzteschaft das Berufsrecht
weiter für Fernbehandlungen über digitale Technik geöffnet. Bald
sollen Patienten nun auch leichter Praxen ausfindig machen können,
die Videosprechstunden anbieten. Darüber sollen Ärzte künftig auf
ihrer Internetseite informieren können. Einwilligungen und eine
Aufklärung der Patienten sollen auch im Rahmen der Videosprechstunde
möglich sein und nicht mehr nur persönlich vor Ort oder schriftlich.

E-PATIENTENAKTE: Digitale Akten sollen nicht nur angeboten, sondern
auch mit Inhalten bestückt werden. Dafür soll nun ein entsprechender
Anspruch der Patienten verankert werden. Ärzte in Praxen und Kliniken
sollen es vergütet bekommen, wenn sie etwa Angaben zu Behandlungen
oder Blutwerte einstellen. Je nach Wunsch sollen auch Impfausweise,
Mutterpässe, gelbe U-Hefte für Vorsorgeuntersuchungen von Kindern
oder Zahn-Bonushefte digital gespeichert werden können. Damit Ärzte
mehr Befunde elektronisch versenden, soll es dafür auch eine höhere
Vergütung von der Kasse geben - und für Faxe deutlich weniger Geld.

DATENAUTOBAHN: Ein neuralgischer Punkt bei der Digitalisierung ist
der Aufbau einer umfassenden Datenautobahn, die alle Akteure mit
besonderen Sicherheitsvorkehrungen vernetzen soll. Doch das Vorhaben
stockt seit längerem. Um mehr Durchgriff zu bekommen, übernahm das
Ministerium nun 51 Prozent der damit betrauten Gematik-Gesellschaft,
die bisher von den Gesundheitsakteuren getragen wurde. Immer noch
sind nicht alle Praxen mit Spezialgeräten angeschlossen. Bis Ende
Juni dürften es 110 000 der insgesamt 176 000 Praxen von Ärzten und
Zahnärzten sein, heißt es in Ministeriumskreisen. Dabei ist schon
klar, dass «Offlinern» ab 1. Juli eine Honorarkürzung um ein Prozent

droht. Ab März 2020 sollen es dann sogar 2,5 Prozent Kürzung sein.

In Kraft treten sollen die Neuregelungen möglichst zum Jahreswechsel.
Von den Kassen kam Lob. «Wir freuen uns, dass die Krankenkassen bei
dem Ausbau ihrer digitalen Angebote Rückenwind bekommen», hieß es vom

GKV-Spitzenverband. «Patienten werden digitale Lösungen schneller und
umfassender nutzen können», betonte die DAK-Gesundheit. Das Gesetz
schneide alte Zöpfe ab und ermögliche zeitgemäße Informationswege,

erklärte die Techniker Krankenkasse. Die Digitalisierung der
Gesundheitsversorgung dürfe nicht ausländischen Großkonzernen
überlassen werden, meinte die Barmer. Die Grünen monierten indes,
eine echte Strategie und eine Patientenbeteiligung fehlten weiter.