Senat von Alabama stimmt für fast vollständiges Abtreibungsverbot Von Can Merey und Maren Hennemuth, dpa

Geht es nach dem Willen des Senats von Alabama, droht Ärzten bei
Abtreibungen künftig lange Haft. Auch wenn das Gesetz auf absehbare
Zeit nicht in Kraft treten dürfte: Die Abtreibungsgegner verfolgen
ein viel weiterreichendes Ziel - mit Konsequenzen für die ganzen USA.

Washington (dpa) - Der Senat von Alabama hat ein Gesetz
verabschiedet, das Abtreibungen in dem US-Bundesstaat in fast allen
Fällen verbieten und Ärzte mit bis zu 99 Jahren Haft bestrafen würde.

Die Kammer stimmte am Dienstagabend (Ortszeit) mit der
republikanischen Mehrheit für die umstrittene Neuregelung. 25
Senatoren votierten für die Maßnahme, sechs waren dagegen, wie aus
einer Übersicht des Senats hervorgeht.

Die republikanische Gouverneurin Kay Ivey muss das Gesetz noch
unterzeichnen. Allerdings wäre selbst dann unwahrscheinlich, dass es
auf absehbare Zeit in Kraft tritt, weil es einem Grundsatzurteil des
obersten US-Gerichtshofes aus dem Jahre 1973 widerspricht, das
Abtreibungen in den gesamten USA erlaubt.

Ziel der Abtreibungsgegner ist es, dass sich letztlich der Supreme
Court mit verschärften Abtreibungsgesetzen wie dem aus Alabama
beschäftigt. Sie hoffen, dass das oberste Gericht der USA dann das
Grundsatzurteil aus dem Jahr 1973 kippen könnte, das unter dem Kürzel
«Roe v. Wade» bekannt ist. Die Abtreibungsgegner bauen auf die
konservative Mehrheit im Supreme Court, die US-Präsident Donald Trump
durch die Ernennung von zwei Richtern etabliert hat.

Das Abgeordnetenhaus von Alabama hatte das Gesetz bereits Ende April
verabschiedet. Die «Washington Post» zitierte die republikanische
Abgeordnete und Initiatorin des Gesetzes, Terri Collins, mit den
Worten, bei der Maßnahme gehe es darum, das Urteil des Supreme Courts
von 1973 in Frage zu stellen. «Das ist der Weg, wie wir dorthin
kommen, wohin wir am Ende wollen.»

Die Bürgerrechtsbewegung ACLU kündigte umgehend an, das Gesetz
anzufechten. Die ACLU verwies darauf, dass Abtreibungen weiterhin in
allen 50 US-Bundesstaaten legal seien. «Wir werden klagen, um zu
verhindern, dass dieses Gesetz jemals in Kraft tritt.» Das gelte auch
für zunehmend restriktive Gesetze in anderen Bundesstaaten. Mehrere
Bundesstaaten haben bereits schärfere Abtreibungsregelungen
beschlossen oder arbeiten daran. Das Gesetz in Alabama wäre aber das
weitestgehende. Die «Washington Post» sprach vom «restriktivsten
Abtreibungsverbot der Nation».

Nach dem Gesetz in Alabama würden Ärzte, die Abtreibungen vornehmen,
künftig eine schwere Straftat begehen. Diese Art von Taten wird in
dem Bundesstaat mit zehn bis 99 Jahren Haft bestraft. Strafbar wären
dem Gesetz zufolge auch Schwangerschaftsabbrüche nach Vergewaltigung
oder Inzest. Ausgenommen wären nur Fälle, in denen eine Abtreibung
notwendig ist, «um eine ernste Gesundheitsgefahr für die Mutter des
ungeborenen Kindes zu verhindern». Das Gesetz würde dem Entwurf
zufolge erst sechs Monate nach Unterzeichnung durch die Gouverneurin
in Kraft treten - wenn es nicht von einem Gericht gestoppt wird.

Beobachter verwiesen am Mittwoch auf den Umstand, dass in dem
35-köpfigen Senat des südlichen Bundesstaates nur vier Frauen sitzen
und somit mehrheitlich Männer über ein Thema entschieden, das vor
allem Frauen betrifft. Bei der Abstimmung votierten zwei der
Senatorinnen gegen das Gesetz, eine enthielt sich und die Vierte
fehlte.

Das Thema Abtreibungen ist in den USA ähnlich aufgeladen wie die
Debatte über das Waffenrecht und einer der Streitpunkte, bei denen
die tiefen Gräben zwischen den politischen Lagern sichtbar werden.
Die Diskussion darüber wird zwischen Demokraten und Republikanern oft
unversöhnlich geführt.

Mit dem politischen Wechsel im Weißen Haus vor zwei Jahren verbanden
viele Konservative die Erwartung, dass es durch Neubesetzungen am
obersten US-Gerichtshof zu Änderungen in der Rechtssprechung kommen
könnte. Trump selbst hat sich in der Vergangenheit lange dafür
ausgesprochen, die Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch
den Frauen zu überlassen. Das ist unter vielen Republikanern aber
eine äußerst unpopuläre Meinung. Während des Wahlkampfes änderte
er
seine Haltung und erklärte, er trete für den Schutz des ungeborenen
Lebens ein.