Auf virtueller Expedition mit der «Polarstern» Von Janet Binder, dpa

Von Expeditionen in Arktis und Antarktis träumen nicht nur
Wissenschaftler. Auf der «Polarstern» können normalerweise nur
Forscher und Techniker mitfahren. In Bremerhaven öffnet sich die Tür
zu den Geheimnissen des Schiffes nun ein wenig - zumindest virtuell.

Bremerhaven (dpa/lni) - Der Boden schwankt, der Fahrtwind bläst durch
die Haare, der Motor brummt - was anmutet wie eine echte
Schiffsfahrt, ist doch nur virtuell: Von außen betrachtet steht der
Besucher einfach nur im Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven an einer
Station mit zwei kleinen Ventilatoren und hat eine
Brillen-Konstruktion auf. Er selbst taucht dabei gerade in ein
virtuelles Reiseerlebnis ein.

Mithilfe einer sogenannten VR-Brille (virtuelle Realität) befindet er
sich auf der Brücke des Forschungseisbrechers «Polarstern». Er sieht

dessen Bug immer wieder in die Nordsee tauchen. Unwillkürlich will
sich mancher festhalten, obwohl sich der Museumsboden nicht bewegt.

«360 Grad Polarstern - Eine virtuelle Forschungsexpedition» heißt die

Sonderausstellung, die am Freitag im Deutschen Schifffahrtsmuseum in
Kooperation mit dem Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut eröffnet
wird und bis Ende März 2020 zu sehen ist.

VR-Brillen vermitteln den Besuchern einen Rundumblick ins Innere des
Forschungsschiffes. Sie wähnen sich mitten in der Kombüse, in einem
Schlafraum oder in der Kapitänskammer. «Die Besucher erhalten so
einen hautnahen Einblick in das Forschen und Leben an Bord», sagte
Museumsdirektorin Sunhild Kleingärtner am Mittwoch. «Wir setzen ihnen
die Brille des Forschers auf.» Mit Hilfe einer weiteren Technik
können die Besucher sogar ein virtuelles Modell der «Polarstern» im
Ausstellungsraum schweben sehen.

Die echte «Polarstern» ist regelmäßig in Antarktis und Arktis
unterwegs und übt eine große Faszination aus, auch wenn sie in ihrem
Heimathafen Bremerhaven liegt. «Als wir vor zwei Jahren ein Open Ship
angeboten haben, kamen viele tausende Menschen», sagte Rainer Knust
vom Alfred-Wegener-Institut. Nicht alle Menschen konnten an Bord
gelassen werden. «Die Enttäuschung war groß. Jetzt können wir ihnen

die Möglichkeit geben, in unser Leben einzutauchen.»

Die «Polarstern» ist Eisbrecher und Forschungsschiff zugleich. Sie
wurde im Dezember 1982 in den Dienst genommen. An Bord gibt es
Möglichkeiten für Untersuchungen zum Beispiel in den Bereichen
Geologie, Ozeanographie, Meteorologie, Biologie und Chemie. Das 118
Meter lange Schiff wird von vier Motoren mit zusammen 20 000 PS
angetrieben.

Wer an der Ausstellungsstation «Fahren» im bequemen Sessel sitzt und
eine VR-Brille aufsetzt, spürt mithilfe eines sogenannten
Bass-Shakers unter der Sitzfläche das vermeintliche Vibrieren der
Schiffmotoren. Virtuell befindet sich der Besucher im Maschinenraum,
schaut einem Maschinisten bei der Arbeit zu und hört die
Dieselmotoren brummen.

An der Station «Leben» wird der Besucher an einem Tisch stehend mit
in die Kombüse genommen. Da die Spezialkamera, mit der die
360-Grad-Aufnahmen gemacht wurden, auf einem rollenden Servierwagen
steht, setzt sich auch der Hobbyforscher virtuell in Bewegung. Manch'
Nutzern wird dabei schon mal übel. «Den Besuchern wird bei den
VR-Erlebnissen einiges abverlangt», räumte Kurator Nils Hollmeier
ein.

«Für uns ist die Ausstellung ein großes Experiment», sagte Direktor
in
Kleingärtner. Da sich das Schifffahrtsmuseum gerade sowohl baulich
als auch inhaltlich neu aufstellt, könnte die VR-Technik auch künftig
eingesetzt werden. Eine Besucherbefragung soll zeigen, wie das
Konzept ankommt.