Re:publica: Mehr als 20 000 Besucher - und politischer denn je

Sie startete einst als bunte Konferenz für Internet-Nerds - heute
kann die re:publica selbst Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
als Eröffnungsredner gewinnen. Zum Abschluss gab es in diesem Jahr
auch noch Lob von der EU-Wettbewerbskommissarin.

Berlin (dpa) - Mehr als 20 000 Besucherinnen und Besucher hat die
re:publica in Berlin in diesem Jahr nach eigenen Angaben angezogen.
Über drei Tage lang haben rund 1100 Sprecherinnen und Sprecher für
ein volles Programm auf der Internet-Konferenz gesorgt, die am
Mittwoch zu Ende ging. «Wir haben 50 Prozent Frauenquote angestrebt
und es dieses Jahr erstmals geschafft», sagte Mitgründer Markus
Beckedahl der dpa.

Und: So viel Politik gab es noch nie auf einer re:publica. Erstmals
wurde die Internet-Konferenz mit Frank-Walter Steinmeier von einem
Bundespräsidenten eröffnet. Auch Familienminister Franziska Giffey,
Arbeitsminister Hubertus Heil und Umweltministerin Svenja Schulze
kamen. Auch viele Staatssekretäre und Bürgermeister seien dabei
gewesen, sagte Beckedahl. «Wir freuen uns, dass das Interesse bei den
Politikern über alle Parteien hinweg - bis auf die AfD - zugenommen
hat, sich dem Dialog mit der Internet-Gemeinde zu stellen.»

Mit dem Motto «tl;dr - too long; didn't read» habe re:publica in
diesem Jahr den Zeitgeist getroffen, sagte Beckedahl. Das habe auch
die Rede des Bundespräsidenten gezeigt, der ein Plädoyer für die
lange Rede und eine bessere Debattenkultur hielt. Die Konferenz
machte das Kleingedruckte, den Trend zur Verkürzung im Netz zum
Thema. Das sei auch eine Art Überlebens-Werkzeug im Netz, sagte die
Forscherin und Analystin Nanjira Sambuli auf ihrer Eröffnungsrede.
Bei der Flut der Informationen sei das ein Kompromiss. «Haben wir
wirklich eine Alternative?» Doch die Gefahren liegen auf der Hand.
Die re:publica setzte in vielen Vorträgen deshalb auch einen
Schwerpunkt auf die ausführliche Debattenkultur und das Lob der
langen Rede.

Am Mittwoch, dem letzten Tag der Digitalkonferenz, kam noch einmal
prominenter Besuch aus Brüssel. «Ich bin sehr froh, hier zu sein, die
re:publica ist eine großartige Veranstaltung», sagte die amtierende
EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Ihren Vortrag widmete
sie der Zerbrechlichkeit von fairem Wettbewerb in Zeiten der
Digitalisierung. Die Herausforderungen seien extrem, denn die
digitale Entwicklung sei viel schneller als jemals zuvor - und sie
betreffe alle Lebensbereiche, ob den Umgang mit unseren Freunden, das
gesellschaftliche Zusammenleben, die Landwirtschaft oder das
Gesundheitswesen. «Es braucht nur kurze Zeit, um Märkte zu zerstören,

aber lange, um sie wieder aufzubauen.»

Vestager tritt seit ihrem Amtsbeginn 2014 für schärfere Regeln vor
allem für große Digital-Unternehmen wie Amazon, Google und Facebook
ein. In Berlin bekräftigte sie auch ihre Forderung, dass
marktbeherrschende Unternehmen zur Weitergabe der von ihnen
gesammelten Daten verpflichtet werden sollten. «Daten sind die
Schlüsselfrage», sagte Vestager. Ohne den Zugang zu Daten, wie sie
etwa Google in seiner Suche sammelt und analysiert, könne kein
Unternehmen neue Geschäftsmodelle entwickeln. Nur freier Zugang
gewährleiste den Wettbewerb. Vestager verglich die Situation mit dem
Strommarkt, in dem es viele Anbieter gibt, die aber alle das gleiche
Netz nutzen könnten.