Branchenschreck DocMorris wittert Millionengeschäft mit E-Rezepten Von Christiane Oelrich, dpa

Erst mischt DocMorris den Apothekenmarkt mit seinem Online-Versand
für Medikamente auf. Jetzt drückt der Chef beim elektronischen Rezept
auf die Tube. Es wittert die Chance auf große Umsatzsprünge.

Frauenfeld (dpa) - Der Apothekenschreck DocMorris will stationären
Apotheken nach der Einführung elektronischer Rezepte noch mehr
Geschäft abjagen. Während Patienten heute erst 1,3 Prozent aller
verschreibungspflichtigen Medikamente in Versandapotheken bestellen,
könnte der Anteil mit E-Rezepten schnell auf 10 Prozent steigen,
sagte der Chef der Schweizer DocMorris-Mutter Zur Rose, Walter
Oberhänsli, der Deutschen Presse-Agentur. «Dann ist die
Versandapotheke nur noch einen Klick entfernt», sagte Oberhänsli.

Der Jurist, der Apothekern mit niedrigen Preisen und Automaten für
Medikamente den Kampf angesagt hat, will Dampf machen: «Wir werden
uns dafür einsetzen, dass das E-Rezept schnell und flächendeckend
umgesetzt wird, weil dann die Chance wächst, dass der Kunde bei uns
kauft statt in einer stationären Apotheke.» DocMorris mit Sitz in den
Niederlanden ist die größte Versandapotheke Europas und hat nach
Angaben von Oberhänsli bei verschreibungspflichtigen Medikamenten
in Deutschland einen Marktanteil von rund 40 Prozent.

Oberhänsli rechnet damit, dass das notwendige Gesetz noch vor der
Sommerpause verabschiedet wird. Im Idealfall, so Oberhänsli, könnten
dann nach einem Jahr alle Ärzte elektronisch Rezepte ausstellen und
alle Apotheken diese Rezepte auslesen.

Rezeptpflichtige Medikamente sind ein lukrativer Markt. Der Umsatz
wächst unter anderem wegen der alternden Bevölkerung. 2017 betrug er
in Deutschland nach Angaben der Bundesvereinigung Deutscher
Apothekerverbände gut 29 Milliarden Euro, fünf Prozent mehr als 2016.

DocMorris dringt darauf, dass das E-Rezept nicht auf dem Chip in der
Gesundheitskarte gespeichert wird, sondern mobil zur Verfügung steht,
damit es mit einem Klick an die Versandapotheke gehen kann. Bislang
muss noch das Papierrezept per Post eingeschickt werden. Bis zur
Lieferung dauert es dadurch ein paar Tage.

Die Patienten sparen, weil Versandhändler nur die Hälfte der
Rezeptgebühr in Höhe von maximal zehn Euro verlangen. Dass
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) das ändern will, ärgert
Oberhänsli. «Wenn Apotheker darauf bestehen, dass alle gleich lange
Spieße haben, könnte man ja allen solche Boni gestatten, statt sie zu
verbieten», meinte er. Er rechnet auch ohne Preisvorteil damit, dass
Kunden den Komfort einer Online-Bestellung schätzen.

In der Schweiz und in Schweden, wo es elektronische Rezepte gibt,
liege der Anteil des Online-Handels bei zehn Prozent. «Es spricht
nichts dagegen, dass es in Deutschland auch in die Richtung geht»,
sagte Oberhänsli. In Schweden sei der Anteil in vier Jahren erreicht
worden. Zur Rose hat eine Technologie für E-Rezepte entwickelt, die
gerade mit der Techniker-Krankenkasse ausprobiert wird. Ob sich
dieser Standard durchsetze oder ein anderer, sei aber egal. «Ich
möchte ja gar nicht auf meinem Grabstein stehen haben: Er hat
Deutschland mit dem elektronischen Rezept beglückt», sagt Oberhänsli.


Der Schweizer hält an seiner Idee von Medikamentenautomaten trotz
einer vorläufigen Niederlage vor Gericht fest. Die Automaten werfen
Arznei aus, nachdem der Kunde über einen Bildschirm einen Apotheker
konsultiert hat. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hatte Anfang April
das Verbot eines solchen DocMorris-Automaten in Hüffenhardt in
Baden-Württemberg bestätigt. Oberhänsli erwägt Berufung. «Ich bin
mir
sicher, dass die Automaten kommen werden. Ich weiß nur nicht, wann.
Sie erfüllen einen Bedarf in strukturschwachen Gegenden.»

Nach der jüngsten Übernahme der drittgrößten E-Commerce-Apotheke
medpex Anfang des Jahres sind nach Oberhänslis Angaben keine weitere
Zukäufe geplant. «Wir wollen unseren Marktanteil im Versandgeschäft
von über 30 Prozent verteidigen.» Dazu gehören auch Pflegemittel ohne

Rezept. «Bei verschreibungspflichtigen Medikamenten sind es schon
rund 40 Prozent. Da wird die Luft schon dünn, das noch auszubauen.»

Apotheker sind zwar nicht gut auf DocMorris zu sprechen, aber
Oberhänsli will sie mit einem neuen Projekt ins Boot holen. Er will
den Gesundheitsmarkt mit einer Plattform nach dem Vorbild von Amazon
aufrollen. «Wir haben in Spanien die Firma Promofarma gekauft, die
einen Marktplatz ähnlich wie Amazon betreibt, und sie arbeitet schon
mit 700 Apothekern zusammen. Das ist ein Modell, das uns auch für
Deutschland vorschwebt.» In Spanien stünden die Apotheker Schlange,
um mitzumachen, sie hätten jährliche Umsatzzuwächse von 20 Prozent.

Kunden könnten auf der Plattform nach Pflegemitteln suchen. Ein
Algorithmus zeige ihnen, bei welcher Apotheke sie zu welchem Preis
kaufen können. Die Auslieferung übernimmt die Plattform. Zur Rose
verdiene an jedem Kauf mit. In Deutschland könne das Projekt 2020
starten, sagte Oberhänsli.