Bundesverfassungsgericht verhandelt über Sterbehilfe-Verbot

Der neue Paragraf 217 des Strafgesetzbuchs verbietet die Aktivitäten
umstrittener Suizidbegleiter. Aber auch Palliativmediziner und andere
Ärzte sehen sich bedroht. Ist der Gesetzgeber zu weit gegangen?

Karlsruhe (dpa) - Seit gut drei Jahren steht Sterbehilfe als
Dienstleistung in Deutschland unter Strafe - aber ist das auch mit
Grundrechten vereinbar? Am Dienstag und Mittwoch verhandelt das
Bundesverfassungsgericht über etliche Beschwerden gegen das Verbot.
Geklagt haben schwerkranke Menschen, professionelle Sterbehelfer,
Palliativmediziner und andere Ärzte. Das Urteil dürfte frühestens in

einigen Monaten verkündet werden. (Az. 2 BvR 2347/15 u.a.)

Der neue Paragraf 217 des Strafgesetzbuchs verbietet seit Dezember
2015 die «geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung». Bei Ve
rstößen
drohen bis zu drei Jahre Haft oder eine Geldstrafe.

Der Gesetzgeber wollte damit verhindern, dass Suizidhilfe-Vereine wie
Sterbehilfe Deutschland oder Dignitas aus der Schweiz ihre Angebote
für zahlende Mitglieder ausweiten und gesellschaftsfähig werden.
«Geschäftsmäßig» im juristischen Sinne bedeutet nicht gewerblich.
Das
Verbot soll jede Art von wiederholter Sterbehilfe umfassen, ob
kommerziell oder nicht. Angehörige und «Nahestehende», die einen
todkranken Menschen in dessen Sterbewunsch unterstützen und diesen
zum Beispiel in die Schweiz fahren, bleiben ausdrücklich straffrei.

Unter den Karlsruher Klägern sind professionelle Suizidhelfer wie der
Hamburger Ex-Justizsenator Roger Kusch mit seiner Sterbehilfe
Deutschland.

Paragraf 217 ist aber auch Palliativmedizinern und anderen Ärzten ein
Dorn im Auge. Sie befürchten, sich bei der Behandlung todkranker
Menschen strafbar zu machen, oder halten Sterbehilfe bei ausweglosem
Leiden für vertretbar. Geklagt haben auch mehrere Schwerkranke, die
sich selbst mithilfe eines Sterbehilfe-Vereins das Leben nehmen
möchten. Einige von ihnen sind während des langen Verfahrens schon
gestorben. Die Verfassungsrichter hatten es abgelehnt, das Gesetz auf
einen Eilantrag hin bis zur Entscheidung außer Kraft zu setzen.

Erwartet werden auch etliche Bundestagsabgeordnete, darunter
Ex-Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), Michael Brand (CDU) und
Kerstin Griese (SPD). Der Brand/Griese-Entwurf hatte sich 2015 im
Bundestag in freier Abstimmung ohne Fraktionszwang gegen drei
Alternativvorschläge zur Regelung der Sterbehilfe durchgesetzt.

Der Zweite Senat unter Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle verhandelt
ohne den Richter Peter Müller. Er hat sich für befangen erklärt, weil

er in seiner Zeit als saarländischer Ministerpräsident selbst für ein

Sterbehilfe-Verbot eingetreten war. Den achten Platz auf der
Richterbank wird Johannes Masing aus dem Ersten Senat einnehmen.

Mit Spannung wird erwartet, ob sich die Richter zu einem Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts von 2017 verhalten. Darin heißt es, dass
der Staat einem unheilbar Kranken «im extremen Einzelfall» den Zugang
zu einem Betäubungsmittel zur Selbsttötung nicht verwehren darf. Das
zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat
bisher allerdings keinen einzigen Antrag bewilligt.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hält diese Linie für richtig.
«Es kann nicht sein, dass ein Bundesamt die verbotene Arbeit der
Sterbehelfer übernimmt», sagte Vorstand Eugen Brysch der
Deutschen Presse-Agentur. Paragraf 217 greife nicht in Grundrechte
ein. Die FDP-Gesundheitsexpertin Katrin Helling-Plahr nannte die
derzeitige Situation für Ärzte und Pflegepersonal dagegen untragbar.
Altruistische Sterbehilfe müsse möglich sein, erklärte sie.