Familienministerin Giffey für Masern-Impfplicht bei Kita-Kindern Von Ruppert Mayr, dpa

Zuerst Spahn, jetzt Giffey - nach dem Vorstoß des Brandenburger
Landtags legt möglicherweise auch die Bundesregierung bald einen
Vorschlag zur Impfpflicht gegen Masern vor. Die Länder sind uneins.

Berlin (dpa) - Nach dem Vorstoß des Brandenburger Landtags hat sich
auch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) für eine
Impfpflicht gegen Masern für Kinder in Kitas ausgesprochen. Giffey
sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND, Samstag): «Dies ist
keine leichtfertige Entscheidung, sondern das Ergebnis einer
sorgfältigen Abwägung.» Es gehe darum, Kinder vor einer
lebensgefährlichen Krankheit zu schützen.

«Staatliches Handeln ist gefragt, wenn das Risiko, andere Kinder in
Kindergärten, Schulen oder in anderen Einrichtungen zu gefährden,
nicht anders in den Griff zu bekommen ist», fügte Giffey hinzu. Der
zuständige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat bereits
Gespräche in der großen Koalition über einen solchen Schritt geführ
t.
Er will wohl bald einen Vorschlag machen. SPD-Gesundheitsexperte Karl
Lauterbach zeigte sich Ende März zuversichtlich, «dass wir demnächst

einen entsprechenden Vorschlag vorlegen können».

Rechtlich dürfte ein Zwang zur Masern-Impfung nicht leicht
durchzusetzen sein. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages
hatte schon vor zwei Jahren auf verfassungsrechtliche Probleme
hingewiesen. Die Experten schlossen aber die Möglichkeit, eine
Impfpflicht für bestimmte Krankheiten durchzusetzen, nicht generell
aus. Für Kita-Kinder könnte das noch einigermaßen funktionieren, bei

Schul-Kindern ist das möglicherweise schwieriger.

Jenseits der rechtlichen Problematik kommt noch hinzu, dass die
Impfung in mehreren Schritten erfolgt und erst danach wirksam wird.
Entschieden werden muss unter anderem über den Impfstoff und darüber,
ob es Dreifach- oder Vierfach-Impfungen gibt. Masern sind
hochansteckend und können in seltenen Fällen auch tödlich verlaufen.


In Brandenburg soll es nach dem Willen des Landtags künftig eine
Masern-Impfpflicht für Kinder in Kitas geben. Das Parlament hatte am
Donnerstagabend mit breiter Mehrheit einen Antrag der rot-roten
Koalitionsfraktionen sowie der CDU-Opposition beschlossen. In dem
Antrag wird die Landesregierung aufgefordert, die Rahmenbedingungen
dafür zu schaffen, dass bis zu einer bundesrechtlichen Lösung eine
Impfung als verpflichtende Voraussetzung für den Besuch von Kitas
und Tagespflege gilt. Zugleich soll die Landesregierung eine
Bundesratsinitiative einbringen.

Wenn das so kommen würde, ginge es jedenfalls weiter als das, was die
Bundesregierung bereits in der vergangenen Legislaturperiode an
schärferen Regeln beschlossen hatte. Seitdem müssen Eltern, die ihre
Kinder in Kitas schicken wollen, unter anderem eine verpflichtende
Impfberatung nachweisen können.

Bei den Ländern gibt es keine einheitliche Position für oder gegen
eine Impfpflicht. Nordrhein-Westfalen prüft derzeit. Familienminister
Joachim Stamp (FDP) sagte der «Rheinischen Post» (Samstag): «Ich bin

für eine generelle Impfpflicht - das gilt auch für Kindergärten. Wie

wir das dort umsetzen, werden wir prüfen.» NRW-Gesundheitsminister
Karl-Josef Laumann (CDU) sagte: «Ich bin für eine Impfpflicht.» Er
habe Spahn ausdrücklich seine Unterstützung für dessen Prüfung
zugesichert. Seit Jahresanfang wurden dem Bericht zufolge in NRW
schon fast 100 Masernfälle gezählt.

Nach einem Masern-Ausbruch in Schleswig-Holstein fordert die
Hamburger CDU eine Impfung aller städtischen Mitarbeiter, die mit
Kindern arbeiten. Außerdem solle der Besuch einer Kita für Kinder nur
noch mit «einwandfrei nachgewiesenem Impfstatus» möglich sein, sagte

die gesundheitspolitische Sprecherin, Birgit Stöver, der dpa. Laut
Hamburger Senat liegt die Impfquote bei 93,5 Prozent. Das «reicht
schon heute nicht, um Ansteckungen vollständig zu verhindern,
geschweige denn die Masern vollständig auszurotten», sagte sie.

In Niedersachsen lehnt Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD)
trotz einer gestiegenen Zahl von Masernfällen eine Impfpflicht
vorerst ab. Über diesen Schritt solle erst dann diskutiert werden,
wenn es langfristig zu einer Verschlechterung der derzeitigen
Situation komme, sagte die SPD-Politikerin der dpa.

Die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kolat sieht weiter keinen
Bedarf, eine Masern-Impfpflicht für Kinder einzuführen. «Prinzipiell

habe ich nichts gegen eine Impfpflicht, aber wir warten jetzt den
Gesetzentwurf auf Bundesebene dazu ab», erklärte die SPD-Politikerin.
Wenn die Impfpflicht bundesweit komme, setze Berlin sie um. Mit den
Impfquoten bei der Schuleingangsuntersuchung sei Berlin auf «einem
guten Weg». Rund 97 der Kinder hätten zu dem Zeitpunkt die erste,
knapp 93 Prozent beide Masern-Impfungen bekommen. Berlin hatte
mehrmals mit größeren Ausbrüchen zu kämpfen.

Der hessische Gesundheitsminister Kai Klose (Grüne) will mit einer
besseren Aufklärung für höhere Impfquoten sorgen. «Aus unserer Sich
t
ist eine Impfpflicht im Moment nicht verhältnismäßig und auch nicht
notwendig», sagte er der dpa. Man müsse einfach die Bevölkerung, aber

auch Berufsgruppen im Gesundheitswesen und bei der Kinderbetreuung
stärker für das Thema sensibilisieren.

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in Hessen fordert eine
verpflichtende Impfung vor Aufnahme in eine Gemeinschaftseinrichtung.
Sachsen-Anhalts Ärzte sehen das ähnlich. Zumindest beim Besuch von
Kindertagesstätten und Schulen solle ein Impfnachweis vorliegen,
teilte die Ärztekammer am Samstag nach einer Kammerversammlung in
Freyburg/Unstrut mit.