Ambulantes Ethik-Komitee gibt Ärzten Sicherheit Von Katja Sponholz, dpa

Viele Menschen können dank der modernen Medizin immer länger leben.
Doch nicht alles, was heute machbar ist, ist auch sinnvoll und
hilfreich. Ambulante Ethik-Komitees wie in Saarbrücken helfen
Medizinern bei Grenzfällen.

Saarbrücken (dpa/lrs) Das neue ambulante Ethik-Komitee im Saarland
hat in den drei Monaten seit seiner Gründung bereits konkrete Hilfe
in medizinischen Grenzfällen geben können. Das bestätigten die
Initiatoren der Ärztekammer im Gespräch mit der Deutschen
Presse-Agentur. «Unsere ersten Erfahrungen sind sehr positiv. Wir
haben wirklich zur Sicherheit von Entscheidungen beitragen können»,
sagte Palliativmediziner Dietrich Wördehoff. Und der Allgemein- und
Palliativmediziner Bernhard Leyking bestätigte: «Das Bedürfnis, sich

in Einzelfällen auszutauschen, ist groß. Wir bekommen viele
Rückmeldungen von Kollegen, die froh sind, nun Ansprechpartner zu
haben, wenn sie Probleme haben.»

Das Ethik-Komitee, dem neben Haus- und Fachärzten auch Pflegekräfte,
ein Jurist und ein Theologe angehören, will vor allem die
behandelnden Ärzte in ihren Entscheidungen unterstützen. Denn die
Entwicklung der modernen Medizin habe zwar zu erheblichen
Verbesserungen der gesundheitlichen Versorgung geführt, gleichzeitig
sähen sich viele Mediziner jedoch auch mit völlig neuen
Fragestellungen konfrontiert.

«Je mehr gemacht werden kann, umso mehr muss überlegt werden, ob das
auch sinnvoll ist und ob es im Widerspruch zum ethischen Ziel steht,
dem Patienten zu nutzen», sagt Leyking. Das beträfe nicht immer nur
Menschen am Lebensende, sondern auch Patienten vor Chemotherapien
oder lebensnotwendigen Transfusionen. Oder auch behinderte Menschen,
die eigenständig nur begrenzt entscheiden könnten, wenn es etwa um
Einwilligungen zu Operationen gehe.

Genau in dieser Situation will das ambulante Ethik-Komitee den Ärzten
und Pflegekräften Sicherheit geben bei der Bewertung von ethischen
Problemen. Denn damit standen die behandelnden Kollegen - anders als
die in Kliniken - bislang relativ allein da.

Dietrich Wördehoff, der seit vielen Jahren palliativmedizinische
Weiterbildung für Ärzte anbietet, weiß, wie groß der Bedarf ist.
«Ich
höre immer wieder, dass Ärzte in den Praxen aber auch in den
Altersheimen Schwierigkeiten haben, Entscheidungen zu fällen, wie
viel man bei einer fortgeschritten Erkrankung noch an Therapie machen
soll, was man sein lassen darf, worauf man besser verzichten sollte»,
so der 76-Jährige.

Manchmal werden die Ärzte auch mit schwierigen Wünschen der Patienten
konfrontiert. Wie neulich, als sich ein älterer Herr von seinem
Hausarzt eine große Dosis Schlaftabletten verschreiben lassen wollte,
um seinen Angehörigen nicht länger zur Last zu fallen. Der
behandelnde Arzt lehnte dies ab und bat bei der Ärztekammer um
Unterstützung. Mit Erfolg: Gemeinsam führten Vertreter des Komitees
ein langes und offenes Gespräch mit dem Betroffenen, seiner Familie
und dem Hausarzt. «Am Ende waren sich alle einig, dass die Versorgung
auch mit Schmerzmitteln palliativ gut möglich ist», berichtete
Wördehoff. «Das war eine gute Lösung für alle Beteiligten.»

Ein weiterer konkreter Fall für das Komitee: Eine Heimpatientin mit
psychiatrischem Leiden war zusätzlich an Krebs erkrankt und die
Ärztin unsicher, ob man ihr tatsächlich eine weitere Therapie zumuten
müsse. Im Team mit Psychiatern, Onkologen und Pflegekräften sei man
schließlich zu einem einheitlichen Bild gekommen.

«Obwohl die Behandlung medizinisch indiziert gewesen wäre, hat man
darauf verzichtet, weil der Wille der Patientin war, so weiterzuleben
wie bisher. Und weil es allen wichtiger erschien, dass diese Frau bis
zum Ende in ihrer vertrauten Umgebung bleiben kann und dort gut
versorgt wird», bilanziert der Palliativmediziner. Nicht nur die
Patientin selbst, sondern auch die behandelnde Ärztin habe von der
Unterstützung des Komitees profitiert. «Sie war sehr erleichtert,
weil sie dadurch die Entscheidung auf eine breite Basis stellen
konnte», sagte Wördehoff.

Unterm Strich, so betont Bernhard Leyking (66), Vorstandsmitglied in
der Saar-Ärztekammer, könne das Komitee immer nur eine Empfehlung
aussprechen: «Wie der behandelnde Arzt damit umgeht, ob und wie er es
umsetzt, ist letztendlich seine Sache.»

Leyking ist überzeugt, dass die Mediziner im Saarland von der
Einrichtung des Ethik-Komitees besonders profitieren können: «Hier
sind die Kontaktwege sehr kurz und die Schwelle, jemanden anzurufen,
gering.» Sein Wunsch für die Zukunft: «Ich hoffe, dass jeder
behandelnde Arzt unser Angebot im Hinterkopf hat und unsere
Fortbildung und Einzelfallberatung ihn so stärkt, dass er das in
seiner Behandlung selbstständig umsetzen kann.» Damit er mit seiner
Entscheidung wenig in Konflikt komme: «Und wenn doch, dass er dann
weiß, an wen er sich wenden kann.»