Studie: Künstliche Intelligenz schlägt Hautärzte bei Krebsdiagnose

Ein Algorithmus beurteilt Hauttumoren in einer Studie präziser als
Hautärzte. Wird künstliche Intelligenz Mediziner künftig bei der
Diagnose ersetzen?

Heidelberg (dpa) - Künstliche Intelligenz kann Hautkrebs besser
diagnostizieren als Dermatologen. In einer Untersuchung traten 157
Hautärzte aus zwölf Universitätskliniken in Deutschland gegen die
Computer an: Sowohl die Ärzte als auch der eigens programmierte
Algorithmus beurteilten 100 Bilder danach, ob es sich um ein
Muttermal oder um schwarzen Hautkrebs handelt. Am Ende war die
künstliche Intelligenz präziser als die klinische Diagnostik, wie das
Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg am
Donnerstag mitteilte. Die Studie ist im Fachmagazin «European Journal
of Cancer» erschienen.

Den Algorithmus haben Wissenschaftler des Deutschen
Krebsforschungszentrums (DKFZ), der Universitäts-Hautklinik und des
NCT entwickelt. Er kann verdächtige Hautveränderungen digital
beurteilen. Die Innovation werde die ärztliche Diagnose aber nicht
überflüssig machen, hieß es. Der Einsatz von künstlicher Intelligen
z
werde in der Dermatologie zukünftig wichtiger werden, um präzise
Diagnosen zu erstellen. «Der Algorithmus könnte die klinische
Beurteilung von Hauttumoren sinnvoll ergänzen», erläuterte Jochen
Sven Utikal, Leiter der Klinischen Kooperationseinheit des DKFZ.

«Es ist ähnlich wie beim Autopiloten im Flugzeug: Bei gutem
Flugwetter und häufigen Strecken ist das Assistenzsystem hilfreich.
Bei schwierigen Landungen muss ein erfahrener Pilot hingegen
Verantwortung übernehmen. Das kann ein Computer so allein nicht
leisten», sagte Titus Brinker, Leiter der Studie und Wissenschaftler
am DKFZ und NCT Heidelberg.

Außerdem wird der Algorithmus der ärztlichen Praxis bisher nicht
gerecht. Denn er kennt nur zwei Diagnosen: Muttermal oder schwarzer
Hautkrebs. «Die klinische Realität ist allerdings eine völlig andere:

Ein Facharzt muss bei der körperlichen Untersuchung zwischen mehr als
hundert Differentialdiagnosen unterscheiden können. Davon sind viele
sehr selten, einige sind kaum allein am Bild zu erkennen, sondern
brauchen weitere Informationen wie zum Beispiel Tasteindrücke»,
erklärte Alexander Enk, Direktor der Universitäts-Hautklinik
Heidelberg.

In der Studie wurden 100 Bilder von Hautauffälligkeiten verwendet, 20
davon zeigten schwarzen Hautkrebs (Melanom) und 80 gutartige
Muttermale. Die Dermatologen von zwölf deutschen
Universitäts-Hautkliniken (Berlin, Bonn, Erlangen, Essen, Hamburg,
Heidelberg, Kiel, Magdeburg, Mannheim, München, Regensburg, und
Würzburg) sollten das weitere Vorgehen bestimmen: entweder eine
Biopsie vornehmen oder dem Patienten von der Gewebeprobe abraten.

Dieselben 100 Bilder wurden anschließend von einem zuvor mit 12 378
anderen Bildern trainierten Algorithmus automatisiert bewertet. Nur
sieben der 157 Dermatologen schnitten besser ab als der Algorithmus.
14 erzielten gleich gute Ergebnisse und 136 hatten schlechtere
Ergebnisse. Im Durchschnitt war der Algorithmus präziser in der
Beurteilung der Hauttumoren als die Hautärzte. Dabei spielte es keine
Rolle welche Position und Erfahrung der jeweilige Arzt hatte. Im
Durchschnitt waren Assistenzärzte über Fach- und Oberärzte bis zum
Chefarzt dem Algorithmus unterlegen.

Das maligne Melanom der Haut, auch schwarzer Hautkrebs genannt, ist
die bösartigste Form von Hautkrebs, der vor allem durch hohe
UV-Belastung der Haut begünstigt wird. Nach Angaben von Fachleuten
treten in Deutschland jährlich mehr als 21 000 Neuerkrankungen auf.
Etwa 3000 Menschen sterben pro Jahr am schwarzen Hautkrebs. Die
Studie ist Teil des vom Bundesgesundheitsministerium geförderten
Skin-Classification-Projekts.