Emotionale Momente bei Expedition in Brasilien zu isoliertem Volk

Hochriskantes Unternehmen: Eine Expedition begibt sich in Brasilien
in ein indigenes Schutzgebiet und will das bisher von der Außenwelt
isoliert lebende Volk der Korubo aufsuchen. Doch alles verläuft
friedlich. Ein Konflikt mit Toten 2014 war Anlass für den Besuch.

Brasília (dpa) - Die größte Expedition seit mehr als 20 Jahren zu
einem bisher isoliert lebenden Stamm in Brasiliens Amazonasgebiet ist
nach Behördenangaben bisher erfolgreich verlaufen. 34 Angehörige des
Volkes Korubo seien im indigenen Schutzgebiet Vale do Javari im Staat
Amazonas an der Grenze zu Peru kontaktiert und auch geimpft worden.
Das teilte die für den Schutz indigener Völker zuständige staatliche

Behörde Fundação Nacional do Índio (Funai) am Freitag mit. Ein Ziel

der Expedition war gewesen, neue Konflikte zwischen den Korubo und
dem ebenfalls in diesem Schutzgebiet lebenden Volk der Matis zu
verhindern und die Indigenen zu schützen.

Zudem ging es darum, einige Mitglieder der Korubo, die während des
Konflikts zwischen den beiden Gruppen mit mehreren Toten 2014
geflohen waren, wieder zu ihren Familien zurückzubringen. Auch dies
sei gelungen, hieß es. Funai reagierte mit der Expedition eigenen
Angaben zufolge auf Bitten von Korubo-Angehörigen, die sich von den
Matis bedroht gefühlt hatten. Fotos auf der Facebook-Seite von Funai
zeigten einige Korubo, die bisher keinen Kontakt zur Außenwelt
hatten, strahlend an der Seite von Expeditionsleiter Bruno Pereira.

Die Expedition war Anfang März gestartet, am 19. März seien die
beiden ersten Indigenen ohne bisherigen Kontakt zur Außenwelt bei der
Jagd angetroffen worden. «Das war ein sehr emotionales Erlebnis»,
sagte Expeditionsleiter Pereira. «Es stellte sich heraus, dass die
beiden Brüder eines Expeditionsmitglieds waren. Sie hatten sich seit
2015 nicht mehr gesehen und gedacht, der Bruder sei tot.»

Die Expedition war die erste unter der Regierung des
rechtspopulistischen Präsidenten Jair Bolsonaro, aber bereits seit
mehr als drei Jahren geplant gewesen. Der seit Januar regierende
Bolsonaro will die wirtschaftliche Nutzung des Amazonasbeckens weiter
vorantreiben. Er kündigte bereits an, keine neuen indigenen
Schutzgebiete auszuweisen und bestehende zu überprüfen - seiner
Meinung nach sind diese Gebiete viel zu groß gemessen an der Zahl der
dort lebenden Völker und Ethnien. Das indigene Schutzgebiet Vale do
Javari ist rund 85 000 Quadratkilometer groß und übertrifft damit
Österreich. Nach Angaben von Funai befindet sich dort die größte
Konzentration an von der Außenwelt abgeschottet lebenden Völkern.

Expeditionen zu freiwillig isoliert lebenden Völkern sind generell
nicht unumstritten. Die Gesellschaft für bedrohte Völker in Göttingen

etwa befürchtet, dass diese größte Unternehmung seit mehr als 20
Jahren eine Initialzündung sein könnte, um die wirtschaftliche
Nutzung voranzubringen, auch wenn die Bolsonaro-Regierung in diesem
Fall nicht der Auftraggeber gewesen sei. Bolsonaro hatte der Funai
gleich nach Amtsantritt die Zuständigkeit für die Ausweisung von
indigenen Schutzgebieten entzogen und im Sinne der von ihm geplanten
wirtschaftlichen Erschließung dem Landwirtschaftsministerium
übertragen. Gerade die Agrarindustrie, allen voran Soja-Bauern, will
sich auf immer mehr Land ausbreiten.

Die gut 30 Mann starke Expedition, darunter auch sechs Mitglieder der
Korubo sowie mehrere Mitglieder dreier anderer Volksgruppen, war am
3. März in der Funai-Station am Fluss Ituí in Richtung des Zuflusses
Coari gestartet. Alle Teilnehmer hätten sich vom 3. bis zum 12. März
in Quarantäne befunden, bevor sie sich auf die Suche nach den Korubo
in den Regenwald begeben hätten, schreibt Funai. So sollte die
Übertragung von Krankheiten auf die Indigenen vermieden werden.

Alle 34 Indigenen wurden medizinisch untersucht und gemäß den
staatlichen Regeln geimpft, wie Funai weiter schreibt. Nur ein
Mitglied habe gesundheitliche Probleme gehabt, bei ihm wurde Malaria
festgestellt. Er willigte den Angaben zufolge in eine sieben Tage
dauernde Behandlung ein. Am 7. April soll ein neues Team das
bisherige ablösen und für weitere 45 Tage in Kontakt mit den
Indigenen bleiben. Die Expedition hatte als hochriskant gegolten: Es
war unklar, wie die Indigenen auf den Kontakt reagieren würden.