Mediziner warnen vor Kollaps der Gesundheitsämter - Ärzte fehlen

Deutschen Gesundheitsämtern gehen die Ärzte aus. Das kritisieren
Mediziner bei einem Bundeskongress in Kassel. Sie fordern ein
Gegensteuern - und nennen Ursachen.

Kassel (dpa/lhe) - Die Gesundheitsämter in Deutschland stehen nach
Ansicht von Fachverbänden und Medizinern kurz vor einem Kollaps.
Durch einen Ärztemangel könne der Gesundheitsdienst seine Aufgaben
nicht mehr erfüllen, warnte Ute Teichert, Vorsitzende des
Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen
Gesundheitsdienstes (BVÖGD) am Donnerstag in Kassel: «Das werden auch
die Bürger spüren.» Zu den Aufgaben der Gesundheitsämter gehören

unter anderem die Koordination der Bekämpfung von multiresistenten
Erregern und Gesundheitsprävention in Schulen.

Bis zu 800 Mediziner aus Gesundheitsbehörden wurden am Donnerstag zu
einem Bundes-Kongress in Nordhessen erwartet. Vor der Veranstaltungen
demonstrierten 300 für eine Verringerung der Gehaltsunterschiede zu
Klinikärzten. Denn in den Behörden verdienten Mediziner deutlich
weniger - bei Berufsanfängern rund ein Viertel. Die Folge: Den
Gesundheitsämtern gingen Ärzte und Zahnärzte aus.

Ende des vergangenen Jahres seien in den 400 deutschen
Gesundheitsämtern knapp 2500 Mediziner beschäftigt gewesen, ein
Drittel weniger als vor 20 Jahren. Die Entwicklung wird sich laut
Teichert verschärfen: Von den Fachärzten für Öffentliches
Gesundheitswesen seien 44 Prozent älter als 60 - und gingen auf den
Ruhestand zu.

Aufmerksam machten die Mediziner auch auf die Entwicklung in den
Städten: «Die Ärzte in den Gesundheitsämtern sorgen sich um die
Menschen, die in besonders belasteten Quartieren leben», erklärte
Karin Müller, Leiterin des Gesundheitsamt Region Kassel. Als mehrfach
belastet gelten Stadtteile, in der die Bevölkerung vielen
Umweltfaktoren wie Lärm, aber auch sozialen Belastungen wie Armut
ausgesetzt ist.

Die Ämter registrieren auch eine Zunahme von multiresistenten
Erregern (MRE). Die gegen Antibiotika resistenten Keime seien vor
allen in Einrichtungen mit geschwächten und älteren Menschen vermehrt
zu finden - wie Pflegeheimen. Zahlen gebe es dazu nicht. Aber
bundesweit registriere man pro Jahr 500 000 bis 700 000
Krankenhausinfektionen, von denen 12 000 Fälle tödlich ausgehen. In
zehn Prozent der Fälle seien multiresistenten Erreger die Ursache.