BGH betont Erste-Hilfe-Pflicht für Lehrer - Teilerfolg für Schüler

Erste Hilfe gehört zur Amtspflicht von Sportlehrern. Ein früherer
Schüler klagt erfolgreich beim Bundesgerichtshof. Doch ob er nun auf
Schadenersatz und Schmerzensgeld hoffen kann, ist offen.

Karlsruhe (dpa) - Ein Sportlehrer muss notfalls Erste Hilfe im
Unterricht leisten können. Zur Amtspflicht von Sportlehrern gehört
es, nötige und zumutbare Maßnahmen rechtzeitig und in ordnungsgemäß
er
Weise durchzuführen, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am
Donnerstag in Karlsruhe. Die Lehrer seien nicht durch ein
«Haftungsprivileg» geschützt, wie es für Nothelfer bei Unfällen g
ilt.
Der BGH hob ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main
auf und wies es zur Neuverhandlung zurück. Damit war ein ehemaliger
Gymnasiast aus Wiesbaden mit seiner Klage vorerst erfolgreich.

Der BGH urteilte über einen sechs Jahre zurückliegenden Fall (Az. III
ZR 35/18). Der damals 18-jährige Schüler war im Januar 2013 beim
Aufwärmen im Schulsport plötzlich zusammengebrochen. Die beiden
anwesenden Lehrer riefen den Notarzt. Der Junge wurde in die stabile
Seitenlage gebracht. Sie versuchten aber nicht, den Schüler
wiederzubeleben. Der Gymnasiast erlitt irreversible Hirnschäden wegen
mangelnder Sauerstoffversorgung und ist heute zu 100 Prozent
schwerbehindert. Er muss rund um die Uhr betreut werden.

Der inzwischen 24-Jährige hat das Land Hessen wegen unzureichender
Erste-Hilfe-Maßnahmen verklagt. Er fordert mindestens 500 000 Euro
Schmerzensgeld, gut 100 000 Euro für die Erstattung materieller
Schäden, eine monatliche Mehrbedarfsrente von etwa 3000 Euro sowie
die Feststellung, dass Hessen auch für künftige Kosten aufkommen
soll.

In den Vorinstanzen hatte seine Klage keinen Erfolg. Es sei nicht
sicher, ob mögliche Fehler der Lehrer bei der Ersten Hilfe sich
kausal auf den Gesundheitszustand des Klägers ausgewirkt hätten. Auf
ein Gutachten wurde verzichtet. Das fordert der BGH nun für den neuen
Prozess ein.

Dass die Lehrer die Amtspflicht in dem Fall verletzt haben, wird vom
Gericht angenommen. Ob dies ursächlich für die Behinderung des Jungen
war, muss nun festgestellt werden. Nur wenn ein Zusammenhang zwischen
der unterlassenen Reanimation und der Behinderung bewiesen wird, hat
er Anspruch auf Schadenersatz und Schmerzensgeld.

Der Vater des Jungen hofft nun auf ein OLG-Urteil zugunsten seines
Sohnes: Der erneute Prozess werde psychisch noch einmal belastend.
Doch, so sagte er nach dem Urteil in Karlsruhe: «Wir sind guter
Dinge.»