BGH: Kein Schadenersatz vom Arzt für künstlich hinausgezögerten Tod

Ein dementer Mann liegt die letzten Jahre bewegungsunfähig im Bett,
nur eine Magensonde erhält ihn am Leben. Sein Sohn meint: Der Arzt
hat ihn sinnlos leiden lassen - und bringt den Fall vor die höchsten
Zivilrichter. Das Urteil fällt anders aus als von ihm erhofft.

Karlsruhe (dpa) - Ärzte haften grundsätzlich nicht mit Geld, wenn sie
einen Patienten zum Beispiel durch künstliche Ernährung länger als
medizinisch sinnvoll am Leben erhalten und damit sein Leiden
verlängern. Es verbiete sich generell, ein Weiterleben als Schaden
anzusehen, entschieden die obersten Zivilrichter des
Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe am Dienstag. Eine Klage auf
Schmerzensgeld und materiellen Schadenersatz im Namen eines 2011
gestorbenen Demenzkranken wiesen sie deshalb ab. (Az. VI ZR 13/18)

Den Prozess führte der in den USA lebende Sohn des Mannes aus Bayern
als alleiniger Erbe. Er hält es für einen Behandlungsfehler, dass
sein kommunikations- und bewegungsunfähiger Vater ohne jede Aussicht
auf Besserung jahrelang weiter per Magensonde ernährt wurde.

Die Klage richtete sich gegen den behandelnden Hausarzt. Dieser
sollte mindestens 100 000 Euro Schmerzensgeld zahlen und Behandlungs-
und Pflegekosten von mehr als 52 000 Euro erstatten.

Vorsorglich können Menschen in einer sogenannten Patientenverfügung
aufschreiben, in welchen Situationen sie wie behandelt werden möchten
und wann sie keine Behandlung mehr wünschen. In dem Fall hatte der
Vater nichts hinterlassen und konnte sich selbst nicht mehr äußern.
Ob er die Magensonde noch gewollt hätte, war deshalb unklar.

Das Oberlandesgericht (OLG) München war 2017 der Ansicht gewesen,
dass der Arzt die Sondenernährung trotzdem nicht einfach hätte
weiterlaufen lassen dürfen, ohne die Situation mit dem bestellten
Betreuer gründlich zu erörtern. Wegen verletzter Aufklärungspflichten

sprachen die Richter dem Sohn damals 40 000 Euro Schmerzensgeld zu.

Dagegen legte der Arzt mit Erfolg Revision ein. Auch der Sohn und
dessen Anwalt hatten die OLG-Entscheidung angefochten, um ein
Grundsatzurteil herbeizuführen. Aus ihrer Sicht werden medizinische
Standards nur eingehalten, wenn Ärzte für Verstöße haftbar gemacht

werden. Das müsse auch für die Behandlung am Lebensende gelten.

Dem wollten sich die BGH-Richter aber nicht anschließen. Die
Vorsitzende Richterin Vera von Pentz sagte, es könne dahinstehen, ob
der Arzt Pflichten verletzt habe. «Das Urteil über den Wert eines
Lebens steht keinem Dritten zu.» Es fehle deshalb schon an einem
immateriellen Schaden, der Schmerzensgeld-Ansprüche auslösen könnte.